Ich. Du. Inklusion.

Kunststück.

Ein Nashorn klettert auf einer freistehenden Leiter nach oben, steigt oben drüber und auf der anderen Seite wieder runter. Die freistehende Leiter wird von den anderen Tieren im Theaterstück der Grundschulklasse 3b in Velden an starken Schnüren im Gleichgewicht gehalten.

Das ist vielleicht das treffende Symbol für die von Thomas Binn mit großer Zuneigung und Verhaltenheit behandelte Thematik der von der europäischen Union vorgeschriebenen Pflicht zur Inklusion; die Förderschulen sollen abgeschafft werden. Ein Kunststück, was nur schwer gelingen kann, das ist der Tenor aus dem Film.

Es ist wie die Moral im Theaterstück, dessen Vorbereitung als Erzählstrang durch die Dokumentation geht, bei aller Mühe gelingt es den Tieren nicht, der Schlange Ärmchen und Beinchen wachsen zu lassen. Sie können sich zwar respektieren und helfen und wenn sie zusammenhalten sind sie stark.

Thomas Binn hat mit seiner respektvollen Zuneigung einen wunderbaren Zugang zu den Schülern, Pädagogen, Eltern, Sonderpädaogen. Er versucht nicht, seine Anwesenheit wegzuschummeln, die Kinder dürfen ihn ruhig wahrnehmen, er schwimmt mit in diesem schwierigen Prozess, dem die Lehrer und auch die Schüler durch die bürokratisch vorgeschriebene Inklusion ausgesetzt sind.

Sein Film wird dadurch automatisch inklusionskritisch, nicht im Sinne einer Ablehnung, sondern im Sinne, dass die Idee zwar gut sein möge, dass sie aber durch einen riesigen Bürokratismus (Untersuchung und Anträge für Behinderte, ASD etc.) sowie durch die Zurückhaltung des Staates bei der Bereitstellung der Mittel (an der Bildung wird gespart, meint der Schulleiter) direkt wieder verhindert wird.

Auch die Behandlung der Sonderpädagogen auf 400-Euro-Basis ist kein Ruhmesblatt. Es ist ein Problem für einen Lehrer, wenn er Schüler hat, die rund um die Uhr eine Einzelbetreuung bräuchten und daneben noch 20 andere Kinder zu unterrichten sind.

Der Film fängt mit der Einschulung der Klasse an und hört mit dem Theaterstück am Ende des Schuljahres auf.

Thomas Binn ist dabei bei Theaterproben, Schulstunden, Einzelstunden, Besprechungen zwischen Lehrern, Eltern und anderen Fachleuten, bei einigen Kinder auch zuhause, auf dem Schulweg oder gar auf dem Traktor und sympathisch: das Titeldesign stammt von der Klasse 3b der Geschwister-Devries-Grundschule in Vedem.

Fachbegriffe: EU-Massnahme, stundenorientierte Schlüsselzuweisungen, sonderpädagogische Unterstützung, medikamentöse Neueinstellung, Verweigerungshaltung, Nachbesprechung, Förderschule, Integrationshelferin, Bestandsaufnahme, Logopäding, Sonderbehandlung, beschulbar, Mutübung, übergeordnete Organisation, Manpower von außerhalb des Systems, privates Engagement, Ministerium, Gruppengespräch, ADS Medikamente, Aufmerksamkeitsspannenproblem, Klassenpflegschaft, Schulleiterweiterbildung, Desiderat nach mehr Austausch und Ineinandergreifen im Hinblick auf Inklusion,

Ein weiterer Beitrag zur bildungs- und erziehungspolitischen Diskkussion. Demnächst folgen weitere im Kino: Berlin Rebel High School und Zwischen den Stühlen und am BR-Fernsehen der letzter Teil der eindrücklichen Lanzgeitdokumentation über eine Waldorfschule Auf meinem Weg von Maria Knilli.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert