Geschichte einer Liebe – Freya

Deutsche Elite,

die selbstverständlich gegen die Nazis war, das gab es auch. So einer war Helmuth James von Moltke. Ein weitsichtiger, reflektierter Mann aus einem Haus, in dem politisch gedacht wurde und der das Unglück und den Krieg, den die Nazis bringen würden, früh vorausgesehen hat, der ziemlich allein stand mit diesem Weitblick und der nur 37 Jahre alt geworden ist.

Denn der Kreisauer Kreis, nach dem polnischen Familiensitz der Moltkes genannt, wurde im Rahmen der Ahndung des Hitler-Attentates von 1944 enttarnt, Moltke kam ins Gefängnis und wurde drei Monate vor Kriegsende zum Tode verurteilt und gehenkt.

Früh in der aufkeimenden Nazizeit ist er nach Berlin gezogen, weil er als Anwalt mit seiner klaren Meinung gegen die Naziideologie in der Provinz kaum mehr hätte arbeiten können. 1939 wurde er zur Wehrmacht zum OKW in Berlin eingezogen.

Durch die vielen Trennungen von der Familie kam es zu dem erhaltenen Briefwechsel zwischen ihm und seiner Frau Freya, einer Rheinländerin, auch sie aus einer reflektierten und zu Teilen politisch denkenden Familie stammend. Der Briefwechsel setzte sich intensiv auch nach der Gefangennahme fort, Harald Poelchau in Berlin machte es möglich.

Es war gegenseitige Liebe Knall auf Fall der beiden, die sich bei einem Künstlertreff am Grundlsee in den Alpen kennengelernt haben. Eine ungeheure Liebe, die über physische Entfernungen, Gefängnis und den Tod und weit darüber hinaus die beiden Menschen verband und stark gemacht hat.

Es sind über 1600 Briefe erhalten. Ausschnitte daraus bilden die Kernsubstanz der ersten 60 Minuten dieser wohldurchdachten, atemberaubenden 90-minütigen Dokumentation von Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn.

Die Briefe werden von Top-Schauspielern Deutschlands gelesen, von Ulrich Matthes (als vielleicht dem besten deutschsprachigen Sprecher überhaupt) als Stimme für Helmut James von Moltke und von Nina Hoss als Stimme für Freya.

Die Bilder zu den Texten bestehen aus Fotos aus den Familienalben, aus Landschaftsaufnahmen, aus Aufnahmen von Häusern oder der Percussionistin Vivi Vassileva an der Marimba, auch architektonische Impressionen, ferner gibt es ausführliche Ausschnitte aus einem der letzten Interviews von Frey von Moltke in ihrem Haus in den USA und aus einem mit ihrem Sohn Conrad.

Die beiden Kinder Caspar und Conrad sind ein Vermächtnis, das sie ihrem Mann zu Lebzeiten entrissen hat, wie sie sagt, denn er wollte keine Kinder in diese furchtbare Welt setzen.

Die letzte halbe Stunde des Filmes widmet sich der Zeit nach der Ermordung Helmuths. Freya ist 2010 gestorben, fast 100-jährig. Es ist zu erfahren, dass die Familie nach dem Krieg aus Deutschland weggezogen ist, zuerst nach Südafrika, dann in die USA, denn in Deutschland wurden die Verwandten von Widerständlern immer noch als Verräter angesehen; dazu zitiert Freya Hanna Arendt, die analysiert hat, dass wer die Widerständler akzeptieren würde, zugeben müsste, dass Widerstand möglich war. Aus dem Familiensitz in Kreisau ist inzwischen eine internationale Jugendbegegnungsstätte geworden.

Die Dokumentation ist ohne jede Rührseligkeit, lebt vom Geist nicht nur des Briefwechsels sondern auch von der Sicht auf diese Geschichte von Freya, die ihren Mann als Widerständler vorbehaltlos unterstützt hat.

Ein Nazizeitaufarbeitungsfilm, der weit über die inzwischen gängige Massenproduktion von Naziploitation-Filmen herausragt, nicht nur wegen seiner geistigen Haltung, sondern auch wegen seiner erstklassigen und durchkomponierten Machart mit der sinnig-geschmeidigen Montage von Anne Berrini und der höchst kultivierten, individuellen musikalischen Untermalung von Vivi Vassileva – Percussionistin an der Marimba und von Büdi Siebert. Ein nahrhaftes Matineepflichtprogramm – ein wichtiger deutscher Film.

Es ist ein Film über eine Deutsche Elite, wie sie einem nicht allzu vertraut ist, wie sie sicher auch heute existiert – aber wo? Ein Thema, was das deutsche Kino sowieso viel zu sehr vernachlässigt, über aktuelle deutsche Eliten zu berichten, sei es dokumentarisch oder in Spielfilmform – es geht allenfalls um Promis und Karrieristen, wie so oft in den Lebenslinien beim BR, und im Naziploitation-Businnes entsteht häufig der Eindruck, dass es primär um das Abgreifen von leicht zu pflückender Subvention gehe, so ein Beispiel startet heute ebenfalls (Es war einmal in Deutschland).

Zitate
Gestern war ich in einem saudummen Film über die olympischen Spiele. Wollte sofort auswandern.
Kleiner Sieg gegen die Hydra.
Physisches Unwohlsein als Folge.
Tag voller grauenhafter Nachrichten, die apokalyptischen Reiter sind Anfänger gegenüber dem, was uns bevorsteht.
Merkwürdiges Jahr, vor allem mit Leuten, die für einen gewaltsamen Tod präpariert werden.
Die Angst des Nationalsozialismus vor den Gedanken; wir werden gehenkt, weil wir gedacht haben.
Freislers Tobsuchtsanfall, sah ihm eisig in die Augen … und konnte nicht umhin zu lächeln.

Sie hat niemals die volle Verzweiflung haben müssen, wegen seiner Bereitschaft, alles zu riskieren.
Sie hat nie Rachegefühle gehabt, kein Talent zur Rache.
Ist doch gut, dass einige gegen die Nazis gestorben sind und nicht für.
Wenn man nichts hat, wo man hingehört, dann nimmt man das Uninteressanteste, den Nationalismus.

Die Briefe sind im Verlag C.H. Beck erschienen.

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