Der junge Karl Marx

Ein Gespenst geht um in Europa.

Dieser Film von Raoul Peck, der mit Pascal Bonitzer auch das Drehbuch geschrieben hat, skizziert in gepflegt antiquisierenden, statuarischen Bildern die Vorgeschichte zum Kommunistischen Manifest, nach dessen Erscheinen die Revolution von 1948 ausbrach. Federführend dabei sind die jungen, kritischen Geister Friedrich Engels (Stefan Konarske) und Karl Marx (August Diehl).

Als Beilage zum geistigen Storyfaden gibt es teils in romantischen Bildern die Geschichte der Freundschaft dieser beiden Männer, die sich 1843 in Paris kennenlernen. Garniert wird die Geschichte außerdem mit Einblicken in zeitgeschichtliche Entwicklungen, die Arbeit in den Fabriken, die Behandlung der Leute, Razzien bei aufrührerischen Geistern, aber auch einem Einblick ins Malatelier von Courbet, Dispute, Ausweisung aus Frankreich, die wirtschaftliche Situation.

Der geistige Faden der Geschichte startet mit einem Montesquieu-Zitat, es gebe zwei Arten der Verderbtheit, diejenige des Volkes, wenn es Gesetze nicht befolge und diejenige, die mittels Gesetzen das Volk verderbe. Illustriert wird diese Einsicht in malerisch schönen Bildern von armen Leuten, die im Wald Holz sammeln und dafür von den Herrschaften gejagt und verfolgt werden, wobei der Eigentums-Begriff brisant in Erscheinung tritt.

Karl Marx lebt mit seiner attraktiven jungen Frau Jenny von Westphalen (Vicky Krieps) und einem kleinen Kind bereits in Paris. Auch Jenny ist, obwohl aus adeligem Hause, eine Unterstützerin und Verfechterin der Ideen von Karl Marx („den Hegel vom Kopf auf die Füße stellen“).

Den Deutschen Friedrich Engels lernen wir in einer der Baumwollspinnereien seines Vaters in England kennen. Hier wird die ausbeuterische Klaue des frühindustriellen Kapitalismus deutlich sichtbar. Wenn eine Maschine defekt ist, wird sie repariert, aber die Reparaturkosten werden den Arbeitern vom Lohn abgezogen. Die Entwicklung des Proletariats. Und wer aufmuckt, wird rausgeschmissen. So geht es Mary Burns (Hannah Steele), der Irin aus Tipperary. Engels geht ihr nach, spürt sie in einem irischen Pub auf.

Engels fängt an, Feldforschungen zu machen über die Folgen des ausbeuterischen Verhaltens seines Vaters. Außerdem verliebt er sich in Mary. In Paris lernt er Marx kennen. Sie beschnuppern sich erst misstrauisch, spielen Schach, saufen zusammen, Friedrich pennt sogar bei Marxens, was seine Frau als ein Zeichen außerordentlicher Zuneigung interpretiert. Friedrich vermittelt Karl sein Wissen über die Praxis der Industrie in England, die krassen Folgen und er weist ihn auch auf die führenden englischen Ökonomen hin, gibt Marx somit wichtige Impulse.

Die beiden stehen in Paris auch in Kontakt und Auseinandersetzung mit dem Anarchisten Bakunin und Pierre Proudhon (Olivier Gourmet). Dessen „Philosophie des Elends“ provoziert von Marx das „Elend der Philosophie“, womit die unmittelbaren Voraussetzungen für das kommunistische Manifest, so zeigt es dieser Film, gegeben sind.

Auslöser für den Weg zum Kommunistischen Manifest ist die britische Gesellschaft „Bund der Gerechten“ in London, die Proudhon für einen Vortrag einladen will. Statt dessen reist Marx, der in Brüssel lebt, weil er Frankreich hat verlassen müssen, mit Engels an.

Engels darf dort reden. Diese Rede ruft auf zum gewaltsamen Kampf, zur Revolution, begründet den Kommunismus, der jetzt noch der Arbeit von Marx und Engels am kommunistischen Manifest bedarf. „Arbeiter aller Länder vereinigt Euch“. Auch die private Vorgeschichte dazu wird als ein kleines Kapitel an der Nordsee, idyllisch und familiär zugleich gezeigt inklusive Frauentalk über Kinderwunsch.

Dann hocken sich die beiden hin und schreiben Tag und Nacht, so dass das Manifest gedruckt und verbreitet wird. Einen Monat später bricht die 48er-Revolution aus.

Während Stefan Konarske seinen Friedrich Engels realiter als einen grübelnden, forschenden intellektuellen Geist spielt, er das vielleicht als Typ auch ist, muss August Diehl in der perfekten Maske von Karl Marx, die aber nicht mit seiner Seele übereinstimmt, sich auf die theatralen Mittel besinnen, die er allerdings gut beherrscht und bedient.

Ordentliches Bildungskino geeignet als Begleitmaterial für den Geschichtsunterricht. Möglicherweise hat Degeto mitfinanziert, jedenfalls setzen beide Protagonisten, Marx mehr als Engels, etwas zu oft das freundlich-unverbindliche Degeto-Smiling auf. Schade, das mindert den Kinogenuss.

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