Der Himmel wird warten

Das doppelte Orthodoxie-Feeling.

Das erste Orthodoxie-Feeling ist das Interesse des Objektes dieses Filmes von Marie-Castille Mention Schar, die mit Emilie Frèche auch das Drehbuch geschrieben hat (Die Schüler der Madame Ann, Willkommen in der Bretagne).

Es geht um das richtige religiöse Verhalten im Sinne eines rigiden und kämpferischen Islamismus, wie Mélanie (Naomi Amarger) ihm hier auf den Leim gehen wird. Sie ist aus gut-bürgerlichem Hause. In ihrer Pubertäts-Identitätskrise gerät sie über das Internet an einen sinnlichen, bärtigen Mann mit treuherzigem Blick, der ein radikal-islamistischer Menschenfänger und Lügner ist.

Über Chat und Propagandafilme gewinnt er ihr Vertrauen. Sein Symbol ist der kämpferische, islamische Löwe. Sie wird ihm schnell hörig.

Parallel dazu beschreibt Marie-Castille Mention Schar den Fall von Sonia (Noémie Merlant). Aber auch das ist nur ein Strang des Flechtwerkes dieses Filmes, der in den Geschichten hin- her- und zurückspringt.

Vom inneren Abschied der Mädchen von den Familien, der Öffnung für den Islam, dem Entschluss zu heiraten oder in den Krieg zu ziehen bis zum SEK-Einsatz zuhause, bei dem Sonia als Gefährderin festgtenommen wird.

Parallel dazu die Aufarbeitung der Geschichten in Gesprächskreisen mit Eltern und Kindern unter der Leitung der Originaldarstellerin Dounia Bouzar, die den dokumentarischen Impuls für die Geschichte verdeutlicht. Dieser wird verstärkt durch gewissenhafte Recherchen unter Beratung von Mädchen, die selber zum Islam konvertiert sind, die das Symbol der Unterwerfung der Frau unter den Mann, das Tragen das Dschilbab anstrebten, und die Eltern fallen aus allen Wolken, wenn sie davon erfahren. Sie haben doch nur das Beste für ihre Kinder gewollt.

Im Abspann stehen einige Namen, bei denen sich die Filmemacherin entschuldigt, sind es die Macher des Propaganda-Footages, das sie in den Film einflicht?

Das zweite Orthodoxie-Feeling ist ein methodisches, es wird dem Zuschauer durch die konsequent enge Kadrage der Aufnahmen mit dem engen Spielraum von Nah bis Halbnah als ein Gefühl von Scheuklappen vermittelt. Das ergibt eine extrem dichte Erzählweise, der schwer auszukommen ist, die aber auch das Gefühl vermittelt, auf der richtigen Seite der Moral zu stehen oder auch teilweise das Gefühl, als Schüler in den engen Fokus von Lehrmaterial im Ethikunterricht gezwängt zu werden.

Mention-Schaar wählt harte Instrumente zur Behandlung dieses heißen Eisens, um sich ja nicht die Finger zu verbrennen. Um das Gefühl von Wissenschaftlichkeit noch zu verstärken, schneidet die Regisseurin wie Fußnoten in einem Referat immer wieder Schulstunden dazwischen, die das Thema aus kultureller Warte behandeln, Molières Tartuffe oder Fernand Légers zerrissener Mensch.

Klar, dass so ein Kino auf den richtigen Weg verhelfen will.

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