Original Copy – Verrückt nach Kino

Eine ausgesprochen gemütliche und ausführliche Indien-Reise bieten Georg Heinzen und Florian Heinzen-Ziob mit diesem Bericht über das Auslaufmodell eines indischen Kinos.

Es könnte einem ganz nostalgisch werden. Noch wie in der guten alten Zeit mit Kinorollen aus Zelluloid und mit von Hand eingeschobenen Werbe-Dias, mit Tickets, die vorher gedruckt werden für jede Vorstellung, mit Süßigkeiten-Verkauf zwischendrin, mit Platzanweiser mit Taschenlampe und vor allem mit einem kleinen Stab von erfahrenen Plakatmalern.

Der Betrieb macht oft Verlust, die Filme laufen nicht mehr so. Das dürfte heutzutage niemanden wundern. Aber der Betrieb wird aufrechterhalten, weil so viele Arbeitsplätze damit verbunden sind, obwohl sich in dem riesigen Gebäudekomplex mit Schuhen oder Textilien deutlich mehr verdienen ließe.

Es ist ein kommerzielles Kino. Die Betreiber wissen ganz genau, was läuft, der Film braucht einen Helden und der muss kämpfen. Nur Romantic-Comedy, das geht gar nicht.

Die Plakatmaler wissen genau, wie das Haar der Protagonistin fallen muss, welchen Teint die hübsche Frau, der weibliche Star verdient und was er bei den Männern riskieren kann. Wobei der alte Plakatmaler Sheik Rehman, der sich heute nicht mehr zu sehr um den Publikumsgeschmack schert, sich sicher ist, dass seine Bilder auch schon mal einen langweiligen Film gerettet hätten.

Rehmans Vater hatte noch Kunstwerke geschaffen. Aber Sheik richtet sich nach den Kundenwünschen, Feuer, Explosionen, Hubschrauber, Autos und Pistole oder Messer für den Helden – und der Held darf nicht sterben – Rezepte, auf die sich der deutsche TV-Themenfilm durchaus ab und an etwas besinnen könnte.

Das Kino „Alfred Talkies“ in Mumbai rentiert kaum mehr. Der Sohn des Geschäftsführers, der einen Handy-Laden betreibt, fährt einen schickeren Wagen als sein Vater.

Die Gespräche der Maler drehen sich gerne um Filmsszenen und Dialoge. Sie leben mit den Filmen. Die Kinobesitzerin erzählt, wie sie einen dramatischen Moment aus ihrem Leben beschreibt, der ihr wie im Film vorgekommen sei.

Täglich werden bei der Öffnung des Kinos Räucherrituale durchgeführt. Wir würden das Segnung nennen. Eine gesegnete Kinozeit.

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