Elle

Noch vor dem ersten Bild kündigt die Tonspur dieses Filmes von Paul Verhoeven nach dem Drehbuch von David Birke nach dem Roman von Phillipe Djian düstere Melancholie an. In dieser Stimmung geht das vorläufige Hörspiel über in die Stimme einer Frau, offenkundig beim Geschlechtsverkehr und offenkundig kein lustvoll erwarteter, aber es sind auch nicht die Hilferufe wegen einer möglichen Vergewaltigung. Ein nicht weiter hintergründiger Geschlechtsverkehr begleitet vom Lärm oder Aufprall herunterfallender Gegenstände.

Das nun erscheinende Bild zeigt Isabelle Huppert, die im Laufe des Filmes ihre typische Filmmaske partiell abzulegen versucht, und das offenbar konträr zur unkommentierten Malerei der Filmemacher hinter der Kamera.

Sie liegt am Boden, verletzt, ein Maskenmann hat sie vergewaltigt. Sie berappelt sich. Muss sich pflegen und ein Date absagen, sie habe ihre Tage. Blut ist überall.

Sie heißt in dem Film Michèle und ist erfolgreiche Produzentin von Videospielen. Haupttopos, was wir im Film zu sehen bekommen, ist ein Spiel mit einem krakenhaften Vergewaltigungsmonster, die Krakenarme sehen aus wie Schlangen und finden den Eingang zu den weiblichen Opfern.

Diese Kraken scheinen das Symbol für den ganzen Film zu sein, für das Zusammenhängen und die Gewaltdurchdringung zwischen den Menschen, den Generationen. Michèles Vater war ein Serienmörder, sitzt hochbetagt im Knast. Ihre Mutter leistet sich junge Lover und wird dabei von Michèle ausgehalten, wie auch der Sohn, der mit einer jungen Frau zum Missfallen von Michèle zugange ist; der Enkel, den die beiden ihr präsentieren, ist brauner Hautfarbe.

Das schlangenarmige Krakenmonster durchseucht den ganzen Film, traumlos, aber auch in keiner Weise Panik verbreitend. Es sind Gegenbilder gegen jegliche wohlgeordnete bürgerliche Welt; eine lustlose, aber reale Gegenwelt.

Denn Michèle hat auch noch ein Verhältnis zum Mann ihrer Geschäftspartnerin und Freundin und sie wappnet sich auf den nächsten Überfall des Kapuzenmannes, kauft Hammer und ähnliche Gerätschaften, lässt sich Schießunterricht von einem zarthübschen Angestellten erteilen, der aber wiederum gar so nett nicht ist und ihr Bild in ein Gewaltvideo einarbeitet und überhaupt arbeiten alle Leute ganz auf der normalen Oberflächenebene miteinander, haben kulturell üblichen Umgang, den hat Michèle auch mit ihrem Nachbarn Patrick, der ist wirklich ein gut aussehender Mann und könnte jeden Arzt spielen, und dann ist es wieder wie beim mittelalterlichen Bild von der Frau Welt, wenn man es umdreht, sieht alles ganz anders aus; dieses Bild könnte vielleicht eine Hilfestellung geben beim Entziffern dieses Filmes, der sich von der Bild- und Dialoggestaltung und Inszenierung her konsequent jeglicher Suche nach tieferem Sinn verweigert.

Bleibt ein Schulterzucken übrig, wie die Huppert es am Schluss macht, wenn sie den Zukunftsweg in den Friedhof mit ihrer Freundin begeht. Aber Hochachtung vor Frau Huppert, was sie alles mit sich machen lässt, wozu sie sich hergibt. Illusionslos.

Der Film drängt sich nicht auf, biedert sich nicht an, er will für sich sprechend sein.

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