The Great Wall

Der entmannte Wilhelm Tell.

Die Axt im Haus erspart den Zimmermann und Matt Damon in einem Abenteuerfilm rettet das chinesische Reich vor der Invasion der Tao Tei, das sind computergenerierte, mystische Bestien die sich in ihrem Aussehen an den Dinowelten orientieren.

Das Schillerzitat vorneweg aus „Wilhelm Tell“ deutet auf Damon als William, ein Meister im Bogenschießen. Sein Glanzstück ist nicht der berühmte Apfelschuss, in diesem Film von Zhang Yimou nach dem Drehbuch von Max Brooks, Edward Zwick + 4 schießt er eine in die Luft geschleuderte Trinkschale mit einer Kanonade von Pfeilschüssen erst an die Wand, um die letzten zwei Pfeile als Halterung für diese in die Wand zu bohren – auf die Idee, noch einen Pfeil für Gessler, resp. die Herrscherin, die ihn gefangen genommen hat, im Köcher zu lassen, käme ein Matt Damon nie.

Der phlegmatische Matt Damon in einem Abenteuerfilm, das garantiert für Biederkeit und Jugendfreigabe ab 12 (siehe Der Marsianer). Er selbst bewegt sich kaum noch, wenige Schritte und oft ist er in Ruheposition, schaut ernsthaft nachdenklich und besorgt.

Denn die Welt um ihn herum ist alles andere als bieder und geerdet. Wobei auch seine Biederkeit diejene eines tugendstrotzenden Rumtreibers, Söldners, Halunken, Diebes, Betrügers und Mörders ist – eine abenteuerliche Figurkonstruktion.

Egal, der ganze Zirkus, das Märchen von den beiden Rumstreichern (der andere ist Pedro Pascal als Tovar), die auf der Suche nach dem Schwarzpulver an der chinesischen Mauer in Gefangenschaft geraten, ist opulent, ist ein gigantischer Aufwand an Kostümen und Bühnenbildern und Massen von Darstellern und Aufmärschen und Kampfhandlungen und Effekten und einer schier auktoritativ erzählenden Kameradrohne.

Die Chinesen sind im Krieg mit den Massen von Tao Tei. Nur wenn man ihre Königin tötet, kann man sie erledigen, verlieren sie ihre invasive Gefährlichkeit. In diesem Kampf machen sich Damon und sein Kumpel nützlich. Dankbare Gefangene, die bereitwillig für ihre Peiniger kämpfen, die in die spektaktulären, aufwändigen, mittelalterlichen Auseinandersetzungen entscheidende Aktionen einbringen, entscheidende Pfeile abschießen, sich mutig, wie einsten Winkelried, um nochmal auf die Schweiz zu referieren, in die Schlacht stürzen (aber im Gegensatz zu diesem Helden opfert sich ein Matt Damon selbstverständlich nicht). Die chinesische Generalin Lin Mae (Tian Jing) beobachtet das mit verwunderten Augen.

In der Gefangenschaft findet sich ein weiterer Europäer, Ballard (Willem Dafoe). Der weiß Genaueres über das Schwarzpulver, hat welches gebunkert, ist über 20 Jahre hier gefangen und sieht deshalb ganz ausgemergelt aus.

Damons Biederkeit verleiht der Story das Cachet einer Pfadfindergeschichte. Die Texte sind einfach „Ich hab dich gesucht, um dir zu danken“, „Wenn ich Euch helfen soll, brauch‘ ich meinen Bogen“. – Lin: „Ich hab Euch freigegeben“, William: “Doch steh ich nun hier“ oder „Geduld, William“. Die deutsche Synchro versucht erfolgreich Damons Biederkeitsimpetus aufzunehmen.

Besondere Effekte werden gerne zweimal vorgeführt, wenn die blauen Kriegerinnen tollkühn auf weit über dem Abgrund der Mauer hinausragende, spitze Vorsprünge sich stellen, um sich fallen zu lassen und wie sie davor den ihnen zugeworfenen Pfeil auffangen; Artisten in der Zirkuskuppel … oder wenn nach dem Tod eines Generals zur Verabschiedungsfeier kleine Heißluftballons in riesiger Zahl in die Luft gelassen werden, so kann auch so ein Start zweimal gezeigt werden, so schnell wird der Himmel nicht voll.

Die Dominanz der physischen Immobilität von Damon entbehrt nicht der unfreiwilligen Komik, der Gegensatz zur Rolle und die ganz offensichtlich irren Fähigkeiten, die ihr zugeschrieben sind und die die Figur im Kampf und im Bogenschießen beweist und wie ganz schnell auf die Doubles oder auf die Postpro umgeschnitten wird. Bis er im nächsten Moment wieder wie belämmert irgendwo in der Ecke hockt und die Welt zu begreifen versucht.

Der Film ist großes Opern-Zirkus-Effekten-Spektakel, ein magischer Bilderbogen, kindlich sorglos mit einer schlichten Abenteuer-Geschichte; die Tonspur lässt sich Bombastisches einfallen.

3D ist einmal mehr viel zu düster und bei schnellen Bewegungen oder rasanten Schnitten driften die Gegenstände kurzzeitig auseinander, verlieren ihren eigenen Zusammenhang.

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