Junction 48

Mit Musik gegen die Gewalt, die Lebensbeengung und die Unterdrückung durch Israel angehen und nicht mit Gegengewalt, das ist das Prinzip von Kareem (Tamer Nafar) und seinen Rap-Band-Mitgliedern.

Sie und ihre Familien wohnen an der Bahnkreuzung 48, einem Nicht-Ort, einem Un-Ort, der sogar einen Namen hat und den bis zu diesem Film keiner kennt, namens Lod oder Lyd oder Lydda, eingekeilt zwischen Gleisen, immer wieder kommen Bewohner durch vorbeifahrende Züge um. Und wenn kein Gleis sie eingrenzt, so ist es eine hohe Mauer.

Ständig werden Polizeirazzien durchgeführt, dazu gibt es einen Rap „Wirf es weg, George“, will heißen, wenn die Polizei im Anflug ist, gilt es, den Stoff, der hier das Leben erträglich macht, wegzuschmeißen, zu verbrennen.

Und wo ein Durchlass zum Rest der Welt ist, da machen sich Checkpoints breit und wenn sie sich langweilen, können sie recht schikanös werden, auch so eine Anekdote wird hier von zwei Israelis erzählt, wenn sie gemeinsam ein Wannenbad mit Kareem nehmen.

Die Band träumt vom Erfolg, träumt davon rauszukommen aus dieser Orstschaft die kleiner sei als die Pussy einer Frau, wie sie an einer Stelle sagen, dieses „Ghetto von 8500 Bewohnern“.

Sie sind eingeladen, die 3 Männer und ihre Sängerin, in einem israelischen Klub zu singen, was sich auch ganz gut anlässt, da sie ja nur von sich erzählen wollen, und dies mit Humor und nicht mit Hass tun. Sie kommen gut an. Mit steigendem Erfolg und den aussagekräftigen Plakaten der Band melden sich die Cousins der Sängerin, sie würden ihre öffentlichen Auftritte nicht gern sehen und falls sie weiter mache, könne ihr was geschehen.

Regisseur Udi Alon, der nach dem Buch von Oren Moverman und Tamer Nafar gearbeitet hat, inszeniert den Film mit bescheidenen Mitteln als authentisches Grassrootsmovie bewusst ‚unpolitisch‘, so wie auch Kareems Philosophie für seine Songs ist – wobei das alles hochpolitisch ist, aber eben nicht aufstachelnd.

Dabei kommt noch die Geschichte von Talal aus der Band dazu. Das ärmlichst wiederaufgebaute Haus seines Vaters soll von den Behörden abgerissen werden, um Platz für ein „Museum der Koexistenz“ zu machen, ein grotesker Euphemismus. Alltag in den besetzten Gebieten.

Aber nicht nur Talal, sondern auch Kareem erlebt einen Schicksalsschlag. Seine Eltern verunfallen auf der Nachhausefahrt von einem Konzert, der Vater stirbt, Mutter kommt in den Rollstuhl (sie ist nicht nur Sängerin sondern auch Geistheilerin). Damit ist der Vater-Sohn-Konflikt von Kareem gelöst, denn Vater war ein Vertreter der klassischen Musik, während Kareem den Rap vertritt, der seine Zuhörer ermuntert, sich zu wehren, nicht aufzugeben, für den Frieden sich einzusetzen.

Dass der Film trotz aller Tristesse dieses eingezwängten Lebens der Palästinenser keine Negativgefühle entstehen lässt, liegt vielleicht auch daran, dass die Leute hier oft singen, nicht nur bei den Auftritten und so von ihrer Lage berichten, ohne zu jammern oder Mitleid zu heischen, ihre Würde wahrend. Das ist groß. Ihr palästinensisches Minderwertigkeitsgefühl formulieren die Bandmitglieder nach einem erfolgreichen Auftritt in einem israelischen Club so, dass sie sich als Pussys vorkommen.

Ebenso auf friedlich-musikalischem Wege wirbt Ein Lied für Nour und auch Eine Geschichte aus Liebe und Finsternis aus dieser Weltgegend, in der sich die Menschen seit Jahrzehnten nach dem Rachemodus immer nur und immer neue Verwundungen zufügen, da sind das bemerkenswert Versuche, moderatere und versöhnlichere Töne anzuschlagen. Es geht darum, erst überhaupt zu beschreiben, wer hier wie lebt, ohne gleich in den Ruch der Parteilichkeit zu geraten.

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