Alipato – The very brief Life of an Amber (11. Underdox-Filmfestival München; Samstag, 8. Oktober 2016, 22.30 Uhr, Werkstattkino)

Und wieder präsentieren Rapid Eye Movies ein „Fundstück“ aus der Reihe „Freie Radikale“ (hier zuletzt besprochen Tomorrow is Always too Long) von Phil Collins mit einem kaleidoskopartigen Portrait von Glasgow.

Das neue Portrait betrifft Manila, die Hauptstadt der Phlippinen, deren aktueller Präsident Rodrigo Duterte mit Ausfällen gegen westliche Botschafter und Politiker auffällt und der mit seinem zweifelhaften Antidrogenkrieg von sich reden macht, dass er die Drogenabhängigen, sein neuester Ausfall, abschlachten möchte.

Solch misslichen politischen Zustände müssen die Künstler auf den Plan rufen. Hier ist es Khavn, der mit Achinett Villamor auch das Drehbuch geschrieben hat. Er nennt Manila in seinem Film ‚Mondomila‘, das erinnert an den Film Mondo Cane, der ein hässliches Bild der Menschen zeichnet.

Ebenso tut es Khavn. Er versucht Bilder aus den Slums zu bändigen, zu choreographieren. Sein Titelwort Alipato wird in der Untertitelung mit „Funke“ übersetzt und stammt aus dem Schlusssong. Das Leben ist wie ein Funke, so kurz. Und was richten die Menschen in diesem Leben an?

Es ist malerisch, filmergiebig, aber schauderhaft. Die Menschlichkeit findet erst im Jenseits statt, der Grabstein scheint der einzige Akt der Humanität in diesem Mondomila. Einen Grabstein erhält ein jeder, samt dem bunten Alias (Chico, Joker, J. Blo, Kotelett, Krebs) in der Gang. Es gibt Zeiten mit besonders vielen Toten. Dann wird der Film zur Grabstein-Revue.

Im ersten Kapitel verfolgen wir das Leben einer Kindergang. Dinge, die sich kein Filmemacher in einem deutschen subventionierten Film trauen würde. Sie erleben Rituale die wie eine Mischung aus Katholizismus und Vodoo anmuten, heiß, bunt, laut. Sie hausen in elenden Slums. Sie versuchen Kohle herzustellen, es gibt eine Anleitung dazu. Sie sind fantasievoll kostümiert oder auch nackt.

Nach einer Mordwelle im Jahre 2029 entscheidet sich der Gangboss für den großen Coup mit seiner Kindergang, die Ausraubung der Zentralbank. Das geht schief. Der Boss landet für 28 Jahre im Gefängnis.

Der Künstler Khavn skizziert in seinem kurzen zweiten Kapitel die 28 Gefängnisjahre des Gangbosses anhand von Schnellverändernungen der Wände, akustisch untermalt mit endlosen Variationen des Geräusches von einem Stab, der an Gitterstäben entlang fährt, und vom chronischen Rasseln der Schlüsselbunde.

Im dritten Kapitel kommt der altgewordene Boss aus dem Knast. Wie ein einsamer, runtergekommener Westernheld in kurzen Hosen und mit einem dickem, roten Umhängesack geht er zurück nach Mondomila, das industrialisierter wirkt als vorher. Auf dem Rücken seiner Jacke steht geschrieben „King Jesus Elvis“. Trauriges Comeback.

Die Kindergang ist erwachsen geworden, hat Federn gelassen, einer ist auf Bahnschienen eingeschlafen und hat die Beine ab. Die Erzählweise wird elegischer, unaufgeregter. Jetzt geht es um das Geld vom Bankraub, von dem nur der Boss weiß, wo es ist. Er rückt es nicht raus. Er will ficken, ist dauergeil, nimmt eine Schwangere her.

Polizei und Kriminelle vertreiben sich die Zeit in einer Bar in einem Schweinestall, kurzer Gedankenflug zum „Porcile“ von Pier Paolo Pasolini. Die Menschheit hat nichts gelernt, ein Humanismus ist in der Zwischenzeit nicht über Mondomila gekommen. Es wird tragisch enden.

Was machen die Menschen nur aus diesem kurzen Funken, der die Lebenszeit ist? Khavn schildert sein Mondomila mit cineaffin aufregendem Undergroundlook, wie ein grelles, elektrisierendes Graffitti, der Aufschrei der Kreatur nach Humanität, aber wie will die hier einziehen, wenn die Kinder schon so behandelt werden?

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