Mein Freund Rockefeller (BR, Dienstag, 27. September 2016, 22.30 Uhr)

Faszination Hochstapler.

Was fasziniert an einem Hochstapler? Doch dass er Menschen Sehnsüchte erfüllt, beispielsweise mit einer Berühmtheit aus der Familie Rockefeller bekannt oder benachbart zu sein.

Wer lässt sich nicht gerne beeindrucken von perfekten, europäisch-britischen Manieren, gut gekleidet mit Blazer mit Goldknöpfen, gerade Haltung, Inbegriff von Eleganz und einem klassischen Englisch ohne eine Spur von Akzent, die sich der bayerische Landbub und Sohn eines Lüftl-Malers und einer Etepetete-Schneiderin, wie sie charakterisiert werden, hochintelligent in kürzester Zeit selbst beigebracht hat.

Dass Christian Gerhardsreiter aus Übersee am Chiemsee einst ein Hochstapler und gar Mörder würde, war nicht unbedingt vorauszusehen; allerdings zeigt Steffi Kammerer, die unter der Redaktion von Walter Greifenstein diese Dokumentation für den BR erstellt hat, ein Bild aus den 80ern, aus seinen Teens, wo er mit anderen Jungs am See im Klüngel zusammen ist; alle sind sie in der Badehose, nur er ist mit langer, weißer Hose und damals perfekt modischem Hemd, langen Haaren und Sonnenbrille drauf zu sehen.

Er sei relativ klein gewesen und wollte immer schon weg, was andere wiederum nicht verstehen, die sich voll aufgehoben fühlen in der Gemeinde. Mit 17 ist er nach Amerika ausgewandert. Dort wollte er Drehbuchautor werden, hat Drehbücher geschrieben, aber die Reaktion von Robert Wise, dass er kein Talent habe, so erzählt er im einzigen direkten Interview in einem Gerichtssaal, dürfte die Entscheidung für eine anderweitige Karriere beeinflusst haben – wenn wir ihm denn ausnahmesweise glauben wollen.

Diese Ersatzkarriere besteht aus dem Spiel mit Identitäten, in der Suche von Kontakten, gerne über die Kirche in reichen Gemeinden im Westen Amerikas wie in San Marino, wo er durch seine Manieren sozusagen freien Eintritt genießt; den Erzählungen des 13. Baronett von Chichester wird allzu gerne und bereitwillig Glauben geschenkt. Später in New York, nachdem der Zauber aufgeflogen ist, fällt das Zitat „Der New Yorker Sommerskandal, auf den die New Yorker jedes Jahr hoffen.“

In dieser Dokumentation kommen verschiedene Menschen zu Wort, die sich von ihm haben bluffen lassen, die ihn zum Teil aber bis heute noch als Freund sehen, Ex-Freundinnen, Ex-Gattin, die immerhin Partnerin von McKinsey war mit Millioneneinkommen; der Mensch ist von der menschlichen Seite wohl immer verführbar, gerade im harten Geschäft, anfällig für einschmeichelnde Komplimente.

Es kommen ehemalige Nachbarn zu Wort, eine Galeristin, ein Maler, ein FBI-Mitarbeiter, ein Autor, der als Revanche für den Betrug ein Buch über den Hochstapler geschrieben hat und einige Szenen daraus vorliest.

Dass eine seiner falschen Identitäten aufzufliegen drohte, dürfte der Anlass für den Mord (oder gar die Morde) gewesen sein; verschwinden lassen von Zeugen.

Der Film erzählt chronologisch, schneidet immer wieder das Interview mit ihm dazwischen und blendet dabei auch zurück an den Ort seiner Jugend. Er macht heute im Gegensatz zu Fotos aus seinen besseren Zeiten keinen glücklichen Eindruck; wenn er spricht erinnert er in seiner heftigen Kopfsprache an den ehemaligen Ministerpräsidenten Stoiber.

Auch wenn hier die bittere Note des Mordes hinzukommt, so ist der Film doch vergnüglich anzuschauen, weil es darum geht, was kann man einem Menschen glauben und was nicht, wie leicht und gerne lässt jemand sich täuschen, wie schon köstlich zu beoachten war in Beltracchi – Die Kunst der Fälschung.
Dumm sind solche Menschen ja nicht – eher scheint etwas schief gelaufen zu sein in ihrem Leben.

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