Snowden

Ein Votum für’s Whistleblowing und gegen Überwachungsexzesse.

Während uns Laura Poitras mit ihrer Dokumentation Citizen Four auf Einladung und Vorschlag von Edward Snowden zu direkten Zeugen des historischen Momentes seines sensationellen Whistleblowings im mira-Hotel in Hong Kong machte, liefert Oliver Stone (Savages), der mit Kieran Fitzgerald auch das Drehbuch geschrieben hat, die breit ausgemalte Vorgeschichte und die verknappte Nachstellung des historischen Moments als klares Votum für Snowden, den er filmhandwerklich einwandfrei als Helden aufbaut, als amerikanischen Helden.

Ein Film primär für das amerikanische Publikum und die amerikanische Politik, die in Snowden gerne den Verräter sieht, der hinter Gitter gehört, gedreht in Bayern in den Bavaria-Studios und wohl deshalb oft in Nebeldampf gehüllt oder mit unscharfen Hintergründen.

Durch die Verheldisierung entfällt der filmgeschichtlich einmalige Moment, den Poitras einfangen konnte, wie dem hochintelligenten, blassen Jüngling nach den ersten Veröffentlichungen dämmert, was er da angerichtet hat, ein Vorgang in einem Menschen, den plausibel zu spielen vermutlich kein Schauspieler in der Lage sein dürfte. Diese Wandlung des Protagonisten kommt denn bei Stone auch nicht vor.

Kompensiert wird dieses Defizit mit deutlich mehr Hintergundinfo aus Snowdens Biographie und seinen Aktivitäten beim Geheimdienst, wie hoch hinauf er dort offenbar gestiegen ist, für wie hochbegabt er galt, das wird speziell deutlich am Programm „Epic Shelter“.

So etwas für jeden verständlich zu zeigen, das versteht das amerikanische Kino aus dem Effeff. Erst entwickelt Snowden das Programm. Dann kommen andere Schauplätze, man lässt ihn Fehler in Genf und Bukarest machen. Man lässt ihn Probleme haben, seine Epilepsie wird erläutert inklusive einer generellen Info über diese Krankheit und die Implikation auf die Fahrtüchtigkeit. Dann lässt man ihn in die Tiefen der Geheimdienst-Unterwelt von Hawaii abtauchen, in unterirdische Hochsicherheitsbunker, lässt ihn die neuen Kollegen vom Programm Epic Shelter schwärmen und ihn ganz bescheiden anmerken, er habe das entwickelt.

Hier auf Hawaii ist auch die Möglichkeit gegeben, einen kritischen Blick auf den amerikanischen Drohnenkrieg zu werfen, die Maustäter, die mit ihren Klicks ferntöten und die sehen, dass ein Kind getroffen ist und mitbekommen, wie diese Info sofort in einen Hund abgewandelt an die Öffentlichkeit geht; Enthüllungskino auch.

Auch das versteht das amerikanische Kino perfekt, mit dem nötigen Thrill das Kopieren und den Schmuggel der Daten aus dem Hochsicherheitstrakt hinaus mittels Zauberwürfel zu illustrieren; der Zauberwürfel wird gleich zu Beginn in der Hotellobby in Hong Kong als Erkennungsrequisit eingeführt beim Blind Date mit Glenn und der Filmemacherin Poitras.

Mit ähnlich plausibilisierendem Effekt wird auch die Liebesgeschichte zu Lindsay eingeführt. Eine Liebesszene wird außerdem dazu benutzt, Snowdens höchste Vorsicht im Umgang mit Computerkameras darzustellen. Ihm ist unwohl, wie er mit Lindsay sexuell zu Gange ist und die Kamera bei abgestelltem Computer nicht abgedeckt ist: die Russen, die kommen auch da rein. Ab sofort ist die Kamera verklebt.

Dem Argument, die Freundin habe nichts zu verbergen, nimmt Snowden gleich den Wind aus den Segeln, indem er sie auf eine Angelegenheit aufmerksam macht, die ihr sichtlich unangenehm ist.

Ein Ausschmückkino, ein Begründungskino und auch ein Überzeugungskino, ja in den USA durchaus als Agit-Prop zu verstehen mit langsamem, fundiertem Heldenaufbau. Die Darsteller überzeugen, was immer schwierig ist, wenn ein Originalvergleich vorliegt: Joseph Gordon-Levitt als Snowden, Zachary Quinto als Glenn Greenwald, Melissa Leo als Laura Poitras.

Die Message: bei der Überwachung geht es nicht um Sicherheit, die ist lediglich Vorwand, es geht um ökonomische und soziale Kontrolle. Das geht auch uns an!

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