Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück

Vom pädagogisch-militanten Idealismus und dessen Zusammenbruch.

Ein unterhaltsamer Film zum Thema ideale Erziehung, die zu beachtlichen Problemen führt, welche mittels des Roadmovieelementes der Lösung näher gebracht werden.

Der Film bezieht sich auf Menschen-, Erziehungs- und Gesellschaftsideale von Marx über Lenin, Stalin, Trotzky, Plato bis zu Noam Chomsky dessen Geburtstag die Familie feiert (als Geschenk gibt es für jedes Kind einen Dolch).

Das Problem solcher Ideale liegt meist in der Umsetzung, liegt daran, dass ihnen ein Hang zur Radikalisierung innewohnt, was von außen besehen der Komik nicht entbehrt. Viggo Mortensen als Vater Ben praktiziert die freie Waldschule (nicht Waldorf-Schule) mit seinen Kindern in ländlicher Waldidylle. Eine Militärschule dürfte ein Ferienlager dagegen sein. Der Unterricht gipfelt in paramilitärischen Jagdübungen, bei denen die Kinder angemalt sind wie Aborigines. Zu Beginn des Filmes schießen sie einen kapitalen Bock; ein sprachlich wunderschön doppeldeutiges Bild.

Wobei es zweifellos ein Traum wäre, Kinder in der freien Natur zu erziehen und aufwachsen zu lassen; im Einklang mit ihr, ein Urvater dieser Ideen dürfte Jean-Jacques Rousseau sein, der hier aber nicht zitiert wird; wir sind in Amerika.

Doch Ideal und Realität divergieren. Mutter wird krank, muss ins Krankenhaus, heillos krank ist sie, so dass sie sich entscheidet, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie kommt aus reichem, bürgerlich-christlichem Milieu, ist selbst zum Buddhismus konvertiert und möchte entsprechend verabschiedet werden.

Bei der Beerdigung, die Bens Schwiegervater ungefragt organisiert, kommt es zum Konflikt der Lebenshaltungen, auf dem Weg dorthin im Familienbus „Steve“ zur Begegnung der Waldfamilie mit der amerikanischen Konsumgesellschaft, die dem erzieherischen Geiste des Familienvaters querläuft und zu Dingen wie einer Aktion „Befreiung von Lebensmitteln“ in einem Supermarkt führt.

Matt Ross hat das Buch geschrieben und so unangepasst wie möglich inszeniert, nichts ist glattbegügelt, wobei selbst die Familie disharmonisch wirkt.

Ross scheint sich von der Spontaneität der Begeisterung leiten zu lassen, nur ja nicht schulkonform werden im Kinohandwerk, es lustig erscheinen lassen, unkonventionell der Kamera Freiraum geben, nicht steif inszenieren, der Inszenierung ein Element des Launisch-Willkürlichen lassen und schon gar nicht in kinematographisches Meistergehabe verfallen und damit auftrumpfen wollen. Irgendwie kumpelhaft.

Viggo Mortensen spielt den bärtigen Chef, den Familien- und Erziehungsideologen und hat sich wohl in den Vertrag schreiben lassen haben, dass er auch ein paar Szenen unrasiert spielen möchte von wegen Image und so; und so lässt Ross sich genügend Zeit, die Rasur als eine Szene der Läuterung einzubauen, wie er sich überhaupt, je mehr der pädagogische Horizont sich aufhellt, die Probleme sich lichten, sich ausgiebig im errungenen Glück und im Lichte der Erkenntnis suhlt, um den Zuschauer in einer heiteren Stimmung aus dem Kino zu entlassen, nicht zu sehr belastet mit erziehungsideologischem Diskurs, dazu ist das kabarettistische Element, das Farce-Element dann doch zu stark; insofern dürften Anhänger des Anthroposophen Rudolf Steiner hier fehl am Platz sein, für den sind „Endorphine wie Delphine“ eher nicht erfunden.

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