Frenzy (Filmfest München 2016)

Ein düsteres Türkeibild im Stile rembrandtsch-barocker Gemäldekunst zeichnet Emin Alper eindrücklich, ja bedrückend auf die Leinwand. Istanbul: eine bis in die Vororte hinein vergiftete Atmosphäre. Die Terrorangst und deren Schüren macht alles kaputt.

Das ist das Faszinierende an diesem Film, dass er eine dem Land von einem zynischen und skrupellosen Machtpolitiker eingeimpfte Hysterie mit ruhigen Charakteren und in besinnlich schönen Bildern schildert und spürbar macht, ohne den Namen des Potentaten auch nur einmal zu erwähnen.

Kadir, Mehmet Ozgur, ist nach 20 Jahren auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen worden. Er soll fortan für die Polizei Spitzeldienste leisten in einer dieser wild wuchernden Satellitenstädte Istanbuls. Dort wohnt auch sein Bruder. Der erkennt ihn erst gar nicht. Ahmet, Berkay Ates, lebt allein in einer Wohnung in einem niedrigen Haus an einer steilen Straße. Ihm ist die Frau mit den Kindern weggelaufen. Ein anderer Mann war attraktiver.

Es gibt wenig Handlung im Film, kaum Story.

Es gibt die Gruppe der Hundejäger. Zu ihnen gehört Ahmet. Im staatlichen Auftrag schießen sie wilde Hunde in den Vorstädten und deponieren die Kadaver auf Mülldeponien. Im Fernsehen behauptet der Minister, die Hunde würden nur betäubt und anschließend in Tierheime gebracht. Schnitt. Der Minister ist nett zu Hunden im Tierheim.

Einen Hund, den Ahmet nur angeschossen hat, nimmt er verbotenerweise bei sich auf. Fällt nicht auf in seiner stets abgedunkelten Wohnung. Er ist depressiv. Ein Risiko auch er. Oft versucht Kadir ihn anzutreffen, klopft, guckt durch die Fenster. Ein Mensch, der sich versteckt, macht sich verdächtig. Dabei hat er einen Zugang zur Kreatur, wie das Verhältnis zu Coni, wie er den Hund nennt, zeigt.

Die Hauptfigur aber ist Kadir. Offiziell arbeitet er als Müllsammler und Sortierer. Der Staat hat Angst vor verwertbaren Bombenteilen. Im Geheimen schreibt Kadir Berichte über alle Leute in der Nachbarschaft. Das tut er ausführlich, so ausführlich, dass es schon wieder verdächtig ist, und er tut es auf einer Schreibmaschine, die er im Müll gefunden hat. Sein Vorgesetzter weiß nicht, ob er das aus Blödheit oder aus Cleverness macht; jedenfalls sind die Hinweise nicht hilfreich.

Sein Bruder Ahmet und dessen befreundetes Paar Ali und Meral bilden den minimen Bekanntenkreis, den Kadir sich erschließt. Nachts hört Kadir oft Geräusche, meint Stimmen durch ein Gemäuer zu vernehmen. Hysterie schleicht durch Istanbul.

Es ist noch von einem dritten Bruder die Rede, Verli, der sei vor zehn Jahren untergetaucht. Kadir stellt über die Polizei Nachforschungen an. Etwas an diesem Verschwinden ist verdächtig. Es gibt Anzeichen dafür, dass dieser dritte und älteste Bruder ganz in der Nähe sei.

Immer bauen Militär und Polizei Checkpoints auf. Die Atmosphäre ist bedrückend. Kadir stellt bald fest, dass Istanbul eine unheilvolle Entwicklung nimmt und fragt sich, wie es den Terror je wieder los werden könne. Nachts brennen die Container in der Straße. Hier traut keiner mehr keinem. Jeder kann ein Terrorist sein. Kein Wunder, dass der Tourismus in Istanbul kränkelt.

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