Demolition: Lieben und Leben lassen

Mit seinen Filmen Der große Trip – Wild und Dallas-Buyers-Club hat Jean-Marc Vallée sich bereits in amerikanische Befindlichkeiten hineingebohrt.

Er bleibt dabei mit diesem, seinem Jersey- und zugleich New York-Film nach dem Drehbuch von Bryan Sype.

Jersey-Film insofern als der Protagonist, Jake Gyllenhaal als Davis, aus New Jersey kommt und deshalb auch viele Szenen in den gerammelt vollen „Commuter-Trains“, den Pendlerzügen hat. So eng, wie er hier dicht an dicht mit seinen Zeitgenossen steht, so eng macht sich Jean-Marc Vallée an die entkernte amerikanische Middleclass ran, deren Selbstbewusstsein er als notleidend darstellt.

Gyllenhaal gelingt es jedenfalls hervorragend, ständig den Eindruck zu erwecken, er gehöre nicht dazu, er stelle sich aufgrund irgend einer Regieanweisung hier oder dorthin und mache „einen schlechten Eindruck“. Das soll er ja auch. Er sieht sich nicht identisch mit der Gesellschaft, in der er lebt.

New York-Film insofern als symbolisch für dieses angekratzte Selbstbewusstsein 9/11 steht. Deshalb darf ein kurzes Bild vom stolzen Nachfolger zu den Twin-Towers, dem One World Trade Center, WTC, nicht fehlen. Aber der Blick geht schnell wieder weg zum Bewusstseinsstrom des deplazierten Davis, der noch irritierter in der Welt sich bewegt, nachdem er seine Frau und offenbar große Liebe bei einem Verkehrsunfall verloren hat.

Ihr zuliebe hat er einen Job in der Firma ihres Vaters, eines Investors, angenommen. Grinst im Geschäftsanzug linkisch. Während er in der Unfallchirurgie auf Neuigkeiten über den Zustand seiner Gattin wartet, will er an einem Automaten Süßigkeiten kaufen. Der Automat mit dem beworbenen Produkt klemmt. Das irritierend symbolhaft passende Pendant zu einem existentiellen Vorgang wie dem Sterben – etwas klemmt, geht nicht weiter.

Jedenfalls setzt er sich hin und will an den Automaten-Hersteller einen Brief schreiben. Daraus wird der Beginn einer Lebensgeschichte. Später wird er das mit seiner platonischen Bekanntschaft Karen, Naomi Watts, wieder so halten, obwohl er doch bei ihr ein und aus geht. Es entspinnen sich dort auch Gespräche mit dem geleckten, zu pubertieren anfangenden Munterfilmbürschen als ihrem Sohn.

Die Kumpanei mit dem Pubertierenden (so einer fühlt sich auch nirgendwo aufgehoben) geht soweit, dass die beiden in rhythmischer Eintracht den Titel des Filmes anfangen einzulösen, nämlich die Demolierung der steril schicken, beton- und glashaften Behausung von Davis und seiner verstorbenen Frau.

Dem vorangegangen sind viele nicht Comme-il-faut-Auftritte von Davis bei der Beerdigung, in Begegnungen mit dem Schwiegervater, in der Firma. Er kann nicht mit der Verarbeitung dieses Todes umgehen. Alles scheint sinnlos. Zerstörung scheint die einzige Lösung.

Irgendwie versteht man das auch, so zäh und klebrig wie sein Milieu und freudlos, farblos geschildert wird, was extrem in der eigenen Sauce köchelt.

Und was hat der Schwammspinner damit zu tun? Der birgt vielleicht die Lösung für das Rätsel dieses Filmes.

Davis ist als Middle-Class-Amerikaner zudem in der Upper Class-Family seiner Frau ein Fremdkörper, deshalb betreibt er nach deren Tod konsequente Funktionsverweigerung. Die Moral, die hier allerdings kaum Boden hat: ich will nur, dass du du selbst bist. Ja, und das Leben ist ein Jahrmarkt, als Symbolik nachgeschoben – zur Entschärfung der eigenen, gewagten These?

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