Paraiso – Was wiegt die Liebe?

Variation zu Botero.

Mexikanischer Diät-, Koch- und Liebesfilme aus einer beleibten Mittelschicht mit einem beleibten Paar, bei dem der Mann am Schluss des Filmes schlank geworden ist.

Es sind dies Alfredo, Andrés Almeida, und Carmen, Daniela Rincón, die konfliktlos noch bei den Eltern von Carmen auf dem Land leben. Sie wollen in die City ziehen. Die Umgebung warnt vor den Gefahren. Der Umzug wird geschildert mit vielen Details.

Das Leben läuft in diesem Film von Marina Chenillo nach einer Geschichte von Julieta Arévalo so alltäglich ab wie in einer Telenovela, jedoch nicht ganz so seifig.

Das Landeier Ehepaar wird beim ersten Bankempfang in der großen City belächelt. Alfredo arbeitet als IT-Spezialist bei einer Bank, während Carmen vorher noch bei der Steuerkanzlei ihres Vaters beschäftigt war. Die Angst wird artikuliert, dass sie in der City doch nichts zu tun haben werde.

Langweilen wird sich Carmen aber nicht. Ein belauschtes Gespräch in der Damentoilette hat sie aus ihrem In-sich-ruhendem Glücklichsein aufgeweckt, ob sie denn schön und attraktiv sei, fragt sich die Mollige, bleibt vor einem Institut zur Gewichtsabnahme stehen und lässt sich reinziehen.

Alfredo entdeckt die Broschüren. Und macht mit. Er wird das Programm erfolgreich absolvieren. Eine gegenläufige Bewegung. Er schenkt ihr ein Kätzchen. Sie mag Kätzchen nicht. Sie entdeckt ein Kochstudio im Wohnblock gegenüber. Sie fängt ein heimliches Leben gegen das Abnehmen an; so nimmt sie nicht ab.

Er hat eine flüchtige Begegnung mit einer Kollegin. Das trifft Carmen tief, die sich selbst den Seitensprung mit dem Kochen leistet.

Immer wirkt der Film, als sei die Regisseurin von der leinwandfüllenden Präsenz einer Botero-Frau, auf ihn gibt es einen kleinen Recherchehinweis, fasziniert, wie die in sich ruht, wie die nicht auf Kleinkariertheit sich einlässt, die wie ein Gestirn ein Eigenleben führt, ohne mit anderen in Konflikt oder in Wettbewerb zu geraten.

Momentweise wiederum wirkt der Film wie eine Lebenshilfefilm, ein Film, der Aufklärung zum Thema Übergewicht betreibt. Wobei er auf die Schilderung der schlimmen Folgen verzichtet, sondern genießbar einen attraktiven Gewichtsabnahme-Lehrer einsetzt und eine etwas ältere, bestechliche Gewichtsabnahmelehrerin.

Dann wiederum ein Film nach dem Motto: Geschichten, die das Leben schreibt. Angenehm und erheiternd, dass der Film aus Mexiko kein Drogenkriegsfilm ist und auch keiner, der in Lateinamerika immer noch so häufigen, die im Milieu und der Spannung aus Herrschaft und Bediensteten spielt.

Für wen dieser Film gemacht ist? Für den Mexikofreund, für den Lateinamerika-Freund, für den Freund des lateinamerikanischen Filmschaffens sowie die Freunde von Filmen mit dicken Frauen und auch jene, die die unaufgeregte RomCom der besonderen Art, über die die Regisseurin einen Sahneguss der allerüblichsten Art streut, nachdem sie sich eine Filmlänge davor bewahrt hat, insofern auch für die Freunde des leicht skurrilen Geschichtenerzählens, das sich nicht ständig dafür rechtfertigt, dass sie dies tut.

Am ehesten trifft es vielleicht die Behauptung: freie Fantasie inspiriert durch Botero und aufs Heute übertragen. Alfredo nennt Carmen „Speckelchen“ (laut deutscher Untertitelung).

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