The Neon Demon

Nicolas Winding Refn (Drive und Only God Fogrives) beobachtet das Objekt seines Interesses, die Modewelt, ganz genau und je genauer er hinschaut, desto mehr entdeckt er den dort herrschenden Horror und fängt an, in Morbidästhetik zu schwelgen und sich in gepflegtem Horror auszutoben.

Die Hauptfigur ist Jesse, Elle Fanning, die neu in L.A. ist. Die Unschuld und Schönheit vom Lande. Sie sei 16 behauptet sie. Die Agentur will, dass sie sich konstant als 19 ausgibt. Dass nicht nur in der Modebranche, sondern auch im Kino alles erstunken und erlogen ist, ergibt ein Blick auf IMDb. Dort gibt Elle Fanning an, 1998 geboren zu sein. Die erste Rolle soll sie laut Credits allerdings schon 1988 gespielt haben, also zehn Jahr vor ihrer Geburt.

Aber es geht in der Modelbranche nicht nur um kleine Lügen. Es geht um große Träume, es geht darum, dass die meisten von den Models ihren Träumen mit allerlei Hilfsmitteln von Chirurgen nachhelfen lassen, das erschließt sich aus einem Garderobengespräch.

Bei Jesse ist alles anders. An ihr ist nicht herumgedocktert worden, sie ist eine natürliche Schönheit, gerade auch in ihrer Asymmetrie. Sie gewinnt auf Anhieb das Interesse des Starfotografen Jack, Desmond Harrington.

Das ist eine großartig herausgehobene, vermutlich nur leicht überhöhte Szene, wie er sein neues Model begutachtet, wie er nur schaut und schaut und um sie herum geht, sie kritisch mustert aus wenig Zentimetern Entfernung, wie ein Juwelier ein Schmuckstück betrachtet. Es wäre vorstellbar, dass es sich dabei um ein ironisches Selfie von Nicolas Winding Refn handelt, den manche für einen Zyniker halten.

Dieses ohne Anstrengung Die-Treppe-Hinauffliegen von Jesse löst den Neid der Mitbewerberinnen aus und ihre Mittel werden nicht zimperlich sein. Auch die Maskenbildnerin oder Visagistin spielt ihre Spielchen, sie kennt den Betrieb aus dem Effeff.

Zur Philosophie zum Thema Schönheit, Ästhetik, Tod trägt sie mit ihrer Nebentätigkeit als Leichenschminkerin bei. Das wird, wie Refn tiefer in die Mechanismen der Abwehr gegen die leichte Karriere der Neuankömmlingin eindringt, nekrophage Züge annehmen.

Wie Refn denn sowieso im Rausch von Modeaufnahmen im Signet des Diamanten mit Jesse in großer Robe harte Vergeltungsmaßnahmen der Konkurrentinnen erfindet und sein Horrorinteresse immer weniger bändigen kann.

Dabei kommt ihm gelegen, dass die Visagistin als Haussitterin in einer düstern Villa wohnt. Hier gibt es Räume und Gänge und einen leeren Swimming-Pool, die Refn in bester Horrormanier erst aufnimmt, durchfährt, als Schauplätze künftigen Grauens, bevor die Taten passieren oder angekündigt werden oder die Folgen davon sichtbar.

Die rauschhafte Welt des Aufstiegs in den Modelhimmel wird kontrastiert vom Motel, in dem Jesse absteigt. Der Betreiber Hank wird von Keanu Reaves dargestellt. Unverstellt bietet er sich dar als Projektionsfläche für Horrorfantasien, die die sensible Jesse auch bald in ihrem Zimmer entwickelt. Es ist mit Pflanzentapeten und blumig gemusterten Bettüberwürfen schwer bieder ausgestattet.

Als treuen Freund gewinnt sie, die unschuldig sich gebende, Dean, Karl Glusman, der sich in Love schon einiges getraut hat vor der Kamera.

Mit seinem Gefühl für Räume, Schönheit, Sound bereitet Refn dem Horror ein piekfeines Entree, mimt den Ästheten, der schon im nächsten Moment die Modewelt mit kaltem Blick als gnadenlosen Fleischmarkt seziert und vom Neidsyndrom zerfressen. Das fängt mit einem freundlichen Verhör auf der Damentoilette des Neuzuganges an. Dabei wirkt Refn nicht wie ein Philsoph, der über Schönheit und Tod nachdenkt, sondern wie ein eiskalter Beobachter, erpicht darauf, das Horrible aus seinem Objekt zu inszenieren und über den Umweg des Zelebrierens von Narzissmus zum Gruselschocker auswachsen zu lassen.

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