Die Frau mit der Kamera – Portrait der Fotografin Abisag Tülmann

Ein guter Fotograf sollte selber unsichtbar sein.

Abisag (Künstlername) Tüllmann war eine erstklassige Fotografin. Sie wurde auch die Unsichtbare genannt. Damit fängt das Problem an, einen Film über sie zu machen, wie mache ich einen Film über eine Unsichtbare?

Claudia von Alemann hat sich für eine essaysistische Filmform entschieden, das heißt einen mehrfachen Zugang, einen dreifachen Zugang zu suchen zu Person und Werk ihrer jahrzehntelangen Freundin.

Abisag Tüllmann hat von 1935 – 1996 gelebt. Das ist der biographie Zugang. 1961 hat sich Abisag radikal für den Beruf als freie Bildjournalistin entschieden, nur als Hausfrau und Mutter, sie hatte ein Fehlgeburt, so weit ist es also gar nicht gekommen, ab und an Fotos von Kindern oder vom Kindergarten zu machen, das kam für sie nicht in Frage.

Abisag war nah dran an vielen bundesrepublikanisch wichtigen Entwicklungen und Ereignissen, an Persönlichkeiten. Auschwitzprozesse in Frankfurt, Studentenunruhen, Hausbesetzungen; Ausdehnung des Interesses aufs Theater, Peymann zB, und Persönlicihkeitsfotografie.

Parallel dazu dehnte sie ihr Tätigkeitsfeld aus nach Frankreich, Mai 68, nach Algerien, Arafat und Black Panther, beide im Exil, Südafrika, Rhodesien, Minenarbeiter, Slums.

Sie hat mit ihren Bildern, die bleiben, sicher unsere Wahrnehmung auf Geschehnisse, die vorbei sind, geprägt.

Der zweite Zugang von Alemann zur Unsichtbaren geht über Bildbetrachtungen mit Weggefährten und Freunden und Freundinnen. Teils mit weißen Handschuhen betrachten sie Fotos im Bundesarchiv und erzählen und schildern die zurückhaltende Person, die wache Fotografin und gute Freundin Abisag, wobei das Thema, was Freundschaft über Jahrzehnte bedeutet, artikuliert wird.

Den dritten Zugang bilden Ausschnitte aus Filmen, die Claudia von Alemann mit Abisag gemacht hat, darunter ein Interview, einer der wenigen Momente, wo man sie selber mit ihrer leisen Stimme sprechen hört und ihre feinen Hände bewundern kann; sie hat auch beim Neuen Deutschen Film nach Oberhausen immer wieder mitgewirkt, mit Fotos aus Oberhausen, von jungen Filmern oder auch als Standfotografin.

Gegen Ende hin verwandelt sich der Film mehr und mehr in eine persönliche Gedenkstunde der Dokumentaristin mit Grabbesuch.

Rahmenhaft und eindrücklich sind die ruhigen nur langsam sich bewegenden und suchenden Aufnahmen drei Tage nach dem Tode der Fotografin in deren Wohn- und Arbeitsräumen, die von deren hoher Produktivität erzählen.

Vom Wert Jahrzehnte dauerndern Freundschaften. Die verbindende Begeisterungsfähigeit oder zusammen den Sternenhimmel anstaunen und bewundern. Ihre Wärme zu den Menschen.
Handschriftlicher Merkzettel in ihrer Wohnung an der Wand „Wer nicht denken will, fliegt raus“.
Sie habe mit ihren Fotos die Ereignisse auf den Punkt gebracht.
Es würde einen interessieren, wie sie unsere heutige Welt auf den Punkt bringt, ob das überhaupt noch geht.

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