Parallelwelten
Fernsehgerecht montiert Kerstin Polte (Wer hat eigentlich die Liebe erfunden) mit einem exqusiten Schauspielerensemble tatortsouverän inszeniertes und montiertes Bildmaterial zu einem quirligen Wimmelbild rund um einen Weltkriegsblindgänger wie einen ansprechenden, modisch-trendigen Wandbehang.
Mit Versatzstücken aus Alltagssimulationsszenen soll ein Abbild unserer modernen Gesellschaft erschaffen werden mit all ihren Problemchen und Wehwehchen oder mindestens einigen dominanten.
Als abgründige Stimmungsmacher fungieren Bombeneffekte aus dem Weltkrieg einerseits und das Unterwassermotiv als Sinnbild der Psyche einer der Protagonistinnen, von Lane Petersen (Anne Ratte-Polle). Sie ist Bombenentschärferin, lebt in kinderloser Ehe mit Viktor (Karl Markovics). Ihre Mutter Margit (Barbara Nüsse) lebt noch, wie in Kriegszeiten wird suggeriert, außer dass sie statt einem Siri eine Ramona hat, die sie an ihr gegenwärtiges Leben erinnert, in dem Haus, in dem sie offenbar schon im Krieg gewohnt hat, und das vom Bombenhagel verschont wurde.
Eine Bombe von damals wird heute gefunden. Wegen dem Bombenfund muss das Haus evakuiert werden, das ist die Haupthandlung.
Betroffen sind auch die Bismarcks (Bernhard Schütz und Claudia Michelsen). Von diesem Paar wird eine zeitgenössische Geständnisszene in Erinnerung bleiben: sie beichtet den Seitensprung mit einem um Jahrzehnte jüngeren Mitarbeiter; ihr Mann revanchiert sich mit dem Geständnis der Diagnose Prostatakrebs. So sieht offenbar modernes Kino aus.
Die Diversity kommt ausgewogen vor, das Flüchtlingsproblem, auch die Differenz der Provenienz der Flüchtlinge, dass es da Unterschiede gibt, Afghanistan oder Syrien, Ukraine. Der bei Viktor untergekommene Flüchtling hat Angst vor der Evakuierung, weil er befürchtet, dass er nach seinen Papieren gefragt wird. Der Film nutzt diese und die Evakuierungsweigerung von Margit für nette Szeneneinfälle, wie sie mit dem Flüchtling in fremder Wohnung unterkommt und die Polizei narrt.
Die Parallelwelten zur Entschärfung, zur Traumawelt der Entschärferin, die Tabletten nehmen muss, werden ergänzt durch das Flüchtlingtrauma, die Verkleidungsfreude von Karl, die Angst des Flüchtlings vor Abschiebung und dann noch unterschnitten mit Party und Tanz und ein Kaninchen als Vertreter der Kreatur, des Kreatürlichen hat auch seinen Auftritt. Das rundet den aus Parallelwelten geflochtenen Kranz, zu dessen Realisierung die betreuenden Fernsehredakteure Christian Bauer, SR, Barbara Häbe, arte, Carlos Gerstenhauer und Nina John, BR, die Mittel aus den öffentlich-rechtlichen Töpfen freigegeben haben.