Escape from Iran
Flucht ist fürs Storytelling ein Spannungsgarant erster Güte. Die Zuschauer werden auf die Folter gespannt, ob die Protagonisten unbehelligt und unbeschadet ans Ziel kommen, ob sie ihren Häschern und Verfolgern entkommen. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Gründe für eine Flucht, ehrenhafte oder unehrenhafte.
Im Film von Ali Samadi Ahadi nach dem Buch von Mohammad Rasoulof (Die Saat des heiligen Feigenbaues) wird der Zuschauer mitgenommen auf die lebensgefährliche Flucht vor dem Regime in Teheran. Es ist eine Menschenrechtsaktivistin und Anwältin, Maryam (Vishka Asayesh), ihr Gesicht ist bekannt, die einen 7-tägigen Urlaub aus dem Knast für die Flucht nutzen will.
Ahadi schildert minutiös, wie konspirativ so eine Flucht abläuft, die Momente der Gefahr, des Misstrauens, des Beinahentdecktwerdens, die enorme Logistik, die dahinter steckt. Aber will Maryam wirklich fliehen? Sie hat so viele Verpflichtungen im Iran. Auch vom Gefängnis aus ist sie aktiv, sie muss die anderen unterstützen.
Zuerst muss sie in Teheran unauffällig zu einem Auto kommen, dann unauffällig und ungesehen durch Teheran fahren. Da kommen einem anderen Filme in den Sinn, eine ganze Reihe, die vor allem in Autos in Teheran spielen, weil sie verbotenerweise gedreht worden sind (exemplarisch: Taxi Teheran).
Maryam hat ihre Kinder (Tanaz Molaei, Sam Vafa), die beim Vater (Majid Bakhtiari) in Hamburg aufwachsen, sechs Jahre nicht gesehen. Mutter und der Rest der Familie leben in krass unterschiedlichen Welten. Wie viel Gemeinsamkeit ist da noch vorhanden, nachdem die Mutter auch wichtige Entwicklungsphasen der Kinder nicht mitbekommen hat und auch nicht begleiten oder gar diskret steuern konnte? Sie erwarten sie im Grenzgebiet.
Es ist ein Film, der mit zwei Pfunden wuchert. Das eine ist die Flucht-, die Abenteuergeschichte, der atemberaubende Thriller, das andere, komplexere, vor dem Hintergrund kultureller Kluft und des Kampfes um Gerechtigkeit, ist die Familiengeschichte.