Die Legende von Ochi

Diese unbändige Lust,

nein, nicht die der Protagonisten, die sind in Mythen befangen, in Karpaten-Mythen um die Ochis, sondern die Lust des Filmemachers Isaiah Saxon, die Karpaten, die Mythen, die Natur und den Menschen darin in einer artifiziell durchkonzipierten Aesthetik zu schildern, einer Aesthetik die überquillt vor Farben, die aber auch eine Nähe zum Kitsch hat, ja, jenem Kitsch, wie ihn gerne die Gemälde in den Schlafzimmern unserer Urvätergeneration gekennzeichnet haben, mit einem röhrenden Hirsch oder einem von einem eigenartigen Licht umgebenen Heiland. Es konnten gedruckte, gewobene oder gestickte Wandteppiche sein. Man findet sie ab und an noch auf Jahrmärkten.

Den Stil systematisch eingesetzt, erzielt der Filmemacher durchaus eine Faszination. Letztlich geht es um Familie. Dasha (Emily Watson) die Frau von Maxim (Willem Dafoe) ist verschwunden in den Karpaten. Genaueres weiß man nicht. Töchterchen Yuri (Helena Zengel) will die Mutter suchen, will weg vom Vater. Sie leben in einer wildromantischen Behausung. Die Mutter ist weg, noch bevor der Vater mit ihr einen Sohn zeugen konnte. An dessen Statt hat der Vater Petro (Finn Wolfhard) angenommen, der größer und älter sein dürfte als Yuri. Auch er ein markantes Gesicht, wie Isaiah Saxon sowieso eine pointierte Auswahl eindrücklicher Gesichter in seinem Film versammelt. Und nicht nur dies, er inszeniert sie auch prägnant.

Es geht nebst den Beziehungen unter den Menschen um die Beziehung des Menschen zur Natur. In ihr sieht er ein Problem mit den Ochis, die keine Werwölfe sind, aber herrlich animierte Waldtiere. Es heißt an einer Stelle, dass der Mensch nie deren Freund sein könne. Das verführt dazu, das Gegenteil zu beweisen. Yuri soll die Fallen kontrollieren. Lustvoll bebildert der Film diese brutalen Eisengeräte, dass einen schaudert.

Yuri findet einen kleinen Ochi, der ist reizend und anrührend animiert, zu schweigen von seinen süßen Lauten. Dieser kleine Ochi hat sich in einer Falle verfangen. Yuri befreit ihn, er schleicht hinkend davon. Sie erbarmt sich seiner, rettet das kleine Wesen. Ein Tabubruch unter den Menschen. Maxim, in absurder mittelalterlicher Ritterrüstung, bläst zur Suche und Verfolgung von Yuri. Ihn begleiten Karpaten-Knaben. Herrlich malerisch. Yuri findet ihre Mutter.

Den Plot weiter zu schildern erübrigt sich, bloß wegen dem Plot wird wohl niemand diesen bildlich bestechenden und schwelgerischen Film anschauen. Viel mehr ist zu fragen, ob nicht das Thema Natur Filmemacher wieder vermehrt beschäftigt, je mehr die Menschheit dabei ist, den Planeten zu zerstören.

Es gibt Schnittmengen zu anderen aktuellen Filmen. In Der Wald in mir unterhält sich Leonhard Schleicher auf einem Baum mit einem Käuzchen. Die Szene ist fast identisch mit der Unterhaltung von Helene Zengel mit dem Ochi. Wie sie auf der Flucht mit diesem auf einem Floß durch eine Schlucht ist, könnten die Bilder genau so gut aus dem am 8. Mai im Kino startenden Film „I am the River, the River is me“ stammen. Zur Synchro: bei dieser Art von Karpatenfilmen kann die deutsche Synchro wenig falsch machen.

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