Julie bleibt still

Wovon man nicht sprechen kann,

darüber müsse man schweigen, schrieb Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus. Ob er an Missbrauch oder an schwierige, nicht gern gesehene bis unerlaubte Lieben gedacht hat?

Im Originaltitel heißt der Film von Leonardo Van Dijl, der mit Ruth Becquart auch das Drehbuch geschrieben hat, Juli zwijgt. Warum das nicht auf Deutsch gleich mit „Julie schweigt“ übersetzt werden kann, bleibt Verleiher-Geheimnis.

Schweigen trifft es auf den Punkt, während „still bleiben“ viel mehr enthält, still bleiben kann man aus Lust, aus Unlust, die Gründe dafür können vielfältiger sein. Aber Julie (Tessa Van den Broeck) schweigt, weil sie nicht anders kann, weil sie in einer bestimmten Sache gefangen, befangen ist.

Julie ist eine topbegabte Tennisspielerin an einer Tennisschule, die sich „Les Hirondelles“ nennt. Sie ist so begabt, dass von ihr kein Schulgeld verlangt wird, während ihre Mitschüler blechen müssen, resp. deren Eltern.

Julie hat eine besondere Beziehung zu ihrem Tennislehrer Jeremy (Laurent Caron). Aber vielleicht war und ist sie nicht die einzige, diese Überlegung bleibt dem Zuschauer überlassen. Nach dem Selbstmord der Mitschülerin Aline (Tamara Tricot) wird Jeremy suspendiert; Backie (Pierre Gervais) übernimmt für ihn; auch er versucht, das Vertrauen der jungen Frau zu gewinnen.

Der Film zeigt nah und atemberaubend das, wenn man so will, gesammelte Schweigen der Protagonistin in ihrem Alltag als Sportschülerin und Wettbewerbshoffnung. Er zeigt das besorgte, aber vergebliche Bemühen ihrer Umgebung, sie zum Reden zu bringen.

Ein Tennisfilm der anderen Art, aber auch mit Unaussprechlichem war kürzlich Challengers – Rivalen von Luca Guadagnino.

Hier bei Leonardo Van Dijl dominiert die Dokunähe der Dardenne-Kamera und es verwundert nicht, den Namen Dardenne unter den Produzenten zu finden und auch den Namen Florian Zeller, der mit atemberaubenden Nahaufnahmen seelischer Zustände auf sich aufmerksam gemacht hat: The Son und The Father.

Der Film, der auf jeden Kommentar, auf jedes Urteil verzichtet, ist gleichzeitig ein wunderbar sensibles Porträt einer jungen Frau.

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