Blinder Fleck

Im Trüben fischen

Was wollen wir für einen Staat, einen strafenden oder einen schützenden? Das ist die Hintergrundfrage bei dieser sehr schwierigen Dokumentation von Liz Wieskerstrauch, schwierig in dem Sinne, dass das Thema, das sie anfasst ein unglaublich delikates ist mit extrem problematischer Beweislage: Kindsmissbrauch, speziell organisierter, ritualisierter, aber auch derjenige im engen familiären Umfeld.

Soll der Staat sich nur darum kümmern, Täter zu bestrafen (Täter kommen hier nicht vor, auch keine Infos, ob welche zur Rechenschaft gezogen worden sind) oder soll er die Kinder schützen?

Los geht es immer bei den Kindern als Zeugen. Dazu installiert die Filmemacherin ein symbolische Verhörsituation im leeren Raum. Um die dreht sich alles, um die gehen die Statements von Fachleuten, die mit dem Thema befasst sind.

Wie glaubwürdig sind die Zeugenaussagen von Kindern? Denn je kleiner sie sind, desto weniger können sie ihre Erlebnisse in Worte fassen, wenn sie als ganz kleine Kinder Missbrauch erleben, kann sich der als traumatischer Flashback melden.

Hinzu kommt, dass der Mensch die Fähigkeit hat, traumatische Erfahrungen mit neurobiologischen Tricks abzuspalten, dass er dadurch nichts mehr vom Trauma weiß und ein einigermaßen normales Überleben praktizieren kann. Mit bestimmten psychologischen Methoden der Konfrontation kann diese neurobiologische Mechanik durchbrochen werden.

Offenbar gibt es schwerste Vergehen an Kindern in ritualisierter Form, das heißt es gibt einen Ablaufplan, ein Protokoll, das den Tisch für den Täter deckt; da passieren Dinge, die sich der normale Mensch auf der Straße so nicht vorstellen kann. Aber stimmen die auch, wenn Kinder sie erzählen?

Dazu werden unterschiedliche Psychologen-Meinungen angeführt. Diejenigen, die die Gerichtsverwertbarkeit für problematisch halten, weil das Gericht kontinuierliche, korrekte Aussagen braucht. Was, wenn Mandanten Ausfallerscheinungen haben; wenn das Gedächtnis nicht kohärent ist? Was wenn Zeugen Dinge schildern, zum Beispiel Details eines Hauses, die so gar nicht existieren? Halten die Aussagen von Zeugen einer Überprüfung auf Glaubwürdigkeit stand?

Der Film arbeitet dem diffizilen Thema entsprechend mit teils unkenntlich gemachten Interviewpartnern, aber auch ganz offen im Bild mit Opfern, er arbeitet mit Distanz, Unschärfe, Symbolbildern und Zeitlupe oder setzt eine Zeugin auch mal hinter Milchglas.

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