Flucht bringt einiges durcheinander.
Flucht kann ein Nährboden bilden für wild-traumatische Bilderwelten.
Ein Ort für solche Bilderwelten ist das Kino.
Flucht kann Menschen gleich mehrfach den Boden unter den Füßen wegziehen. Zuerst wenn sie Hals über Kopf ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen, sei es wegen Bombenangriffen, wegen des Eindringens feindlicher Truppen oder auch wegen Naturkatastrophen. Die Flucht selber kann zum nächsten Risiko werden, wenn sie durch endlose Wüsteneien oder in wackeligen Booten übers Wasser führt. Zielort für viele Fluchten ist Europa.
Ankunftsort übers Mittelmeer ist oft Griechenland. Hier werden die Flüchtlinge in Lagern untergebracht, zu denen das Adjektiv menschenwürdig einem nicht unbedingt als erstes einfällt.
Die Wartezeit bis zu einem Asylbescheid beträgt 2017 etwa 12 – 18 Monate. In der Zeit leben die Menschen in diesen Verhältnissen dicht aufeinander, nur mit dem Nötigsten versorgt und mit nicht einem Minimum an Privacy.
Noaz Deshe hat dort zwischen 2016 und 2019 als Freiwilliger gearbeitet, die Situation studiert und Theaterworkshops gegeben. Ein Resultat der Aktivität ist dieser Film, zu dem er mit Babak Jalali auch das Drehbuch geschrieben hat. Er wirkt wie ein Experimentalfilm, der versucht, um den Protagonisten Nasser (Abdulrahman Diab) herum einen Stream of Chaos and Consciousness im Kopf eines Flüchtlings zu kanalisieren.
Einerseits lässt der Filmemacher seinen Protagonisten übers Internet versuchen, sich Bildung anzueignen. Hier wird als signifikantes Beispiel der Casimir-Effekt eingeführt, der sich auch als filmisch ergiebige Anregung erweist, allein schon durch die zwei Spiegel, die dazu nötig sind und die starke Energie, von der die Rede ist.
Starke Energien auch in einem Flüchtlingslager, schnell explodieren Spannungen. Der Sound über dem Film ist ein Fanal für sich an Abgründigkeit und Bedrohlichkeit.
Nasser wird ein Faible fürs Filmen zugeschrieben. Mit Handy und Improvisation lässt sich so manches machen. Es ist dies nicht der erste Film, der sich mit der Flüchtlingsthematik speziell in Griechenland beschäftigt.
Ein afghanischer Filmemacher hat die Zeit im Flüchtlingslager genutzt: Picknick in Morial – Blue Red Report war das Resultat.
Der Fernsehfilm Leaving Greece – Fluchtpunkt Griechenland beschäftigte sich explizit mit in Griechenland festsitzenden minderjährigen Flüchtlingen.
Aber auch so eine Lagerzeit geht vorbei. Nasser schafft es nach Schweden und ist dort für zusätzliches Footage gut.