Primadonna – Das Mädchen von morgen

Ich hab doch nur gesagt, dass ich den Typen nicht leiden kann und ihn nicht heiraten will.

Das sollte das Normalste in der Welt sein und nicht weiter der Rede wert. Das ist unsere Wertevorstellung, dass Menschen sich heiraten, weil sie sich gegenseitig mögen und die Ehe auch wollen.

Nicht aber im Sizilen Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Und schon gar nicht auf dem Lande. Die das sagt, ist Lia (Claudia Gusmano). Sie ist in heiratsfähigem Alter, lebt mit Mutter Sara (Manuela Ventura), Vater Pietro (Fabrizio Ferracande) und einem kleinen Brüderchen auf einem Dorf in der Bergen in der Nähe von Palermo. Der Vater ernährt die Familie bescheiden mit Feldarbeit.

Lia versteht nicht, warum ihre Haltung so viel Drama, Wirbel, Skandal und Aufruhr verursacht. Dabei ist sie ja nur Ausdruck von Selbstrespekt, man muss noch nicht mal das gerne verwendete Wort Selbstermächtigung und dabei irgend eine Art heldenhaft-emanzipatorischer Attitüde bemühen. Genau so spielt Claudia Gusmano ihre Rolle. Eine Frau, die den Wirbel, den sie auslöst nicht versteht, und die auch keinen Grund sieht, darin mitzumischen.

Die patriarchalische Struktur im Dorf ist durch die Macht- und Geldverhältnisse gegeben. Die Musicós sind die tonangebende Familie. Söhnchen Lorenzo (Dario Aita) ist dazu erzogen, das zu bekommen, was er will. Er hat ein Auge auf Lia geworfen, hat sich wohl auch ein paar Mal mit ihr getroffen, hat dann eine Zeit in Deutschland verbracht.

Nach der Rückkehr will er ernst machen mit der Heirat mit Lia. Kennt aber keine Hemmung, zur gleichen Zeit sich mit der Dorfprostituierten Ines (Thony) zu vergnügen.

Lia und Lorenzo treffen sich am Rande der Fronleichnams-Prozession. Lia gibt Lorenzo zu verstehen, dass sie nicht will. Dieser spekuliert – und darum geht es in dem wunderbar und verführerisch schön erzählten Film von Marta Savina – auf den alten Brauch der Wiedergutmachungsehe. Mit dieser konnte eine Anklage wegen Vergewaltigung straflos fallengelassen werden.

Lorenzo und seine Kumpels entführen Lia, und weil er Rabbatz macht, gleich noch den kleinen Bruder dazu, die Mutter wird niedergeschlagen. Tage später wird Lia zurückgebracht. Der Familie des Opfers bleibt nichts anderes übrig, als der folgenden, erzwungenen Heirat zuzustimmen; diese würde die Vergewaltigung wiedergutmachen.

Doch Lia sagt nein. Sie bringt Lorenzo vor Gericht, eine Unerhörtheit. So wird auch dem epischen Erzählfilm ein Justizdrama. Für den herrschenden Geist im Dorfe, Pfarrer inklusive, ist das ein Skandal. Der Film bezieht sich auf einen Fall, der in der Zeit tatsächlich passiert sei und der Jahre später zu einer Gesetzesänderung geführt habe, so informiert uns der Abspann.

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