Der Traum vom Paradies
Auch wenn die Bibel diesen Traum brutal zunichte macht und Adam und Eva aus dem Paradies vertreibt, so sitzt dieser Traum offenbar unausrottbar im Menschen.
Der Kulturprodukte des Menschen zu dem Thema gibt es wie Sand am Meer. So auch im Kino. Bunuel hat 1954 diesen Traum mit Hollywood-Mitteln bebildert, „Die Abenteuer des Robinson Crusoe“. Kürzlich gab es in Triangle-of-Sadness den einsamen Strand oder Künstler suchten sich auf dem Festland ein Reduit wie auf dem Monte Verita.
1929 wagte es der Arzt Friedrich Ritter mit der an MS leidenden Dore Strauch auf der Insel Floreana des Galápagos-Archipels. Er wollte dort sein monumentales Werk schreiben, suchte nach einer so noch nicht beschriebenen Welterklärung. Der Traum von der einsamen Insel ohne die störenden, aufdringlichen Zeitgenossen.
Offenbar wurden die Briefe, die Ritter und Strauch nach Deutschland schrieben, dort ohne deren Wissen veröffentlicht, aufgebauscht und idealisiert, beschert dem Paar unerwünschten Besuch und führt dadurch zu den üblichen menschlichen Problemen, mit den sich die Menschen bekanntweise ihr Leben unerträglich machen.
Jetzt hat sich Hollywood unter meisterlichem Einsatz seiner bewährten und hochentwickelten Mittel vom Storytelling über die Besetzung der Positionen bis hinein ins letzte Ausstattungsfitzelchen dieser wahren Geschichte angenommen und erzählt erneut mit feinstem Startheater, überraschend spannend und dicht, diese ewige Aussage von der Lächerlichkeit großer Geister bis zur Unerträglichkeit des Pardieses.
Ritter (Jude Law) und Dore (Vanessa Kirby) landen nur mit wenigen Habseligkeiten ausgestattet auf der Insel an. Es gibt einen malerischen „Briefkasten“ am Strand, ein Holzfass auf einem Pfahl, ab und an kommt ein Schiff vorbei und bringt oder holt Post.
Der Film schildert die Urbarmachung. Das wichtigste Requisit für Ritter ist seine Schreibmaschine. Auf ihr will er in Ruhe sein Opus Magnum als Hinterlassenschaft für den Rest der Welt tippen.
Eines Tages tauchen Gäste auf. Es ist Familie Wittmer, Heinz (Daniel Brühl) mit seiner jungen Frau Margret (Sydney Sweeney) und Sohn Harry aus einer anderen Beziehung. Das kann Hollywood, so eine Ankunft schildern, die nicht eben freundliche Begrüßung durch Ritter und Strauch. Die Hoffnung dieser, die anderen mögen es nicht lange aushalten.
Aber die Wittmers schlagen sich trotz aller Unfreundlichkeit erstaunlich gut und Margret bemerkt eines Tages eine Schwangerschaft. So eine Geburt höchst drastisch zu schildern, das lässt sich ein Ron Howard (Pavarotti, Inferno, The Beatles – Eight Days a Week, Rush – Alles für den Sieg), der mit Noah Pink auch das Drehbuch geschrieben hat, nicht nehmen, hier wird nicht gespart an drastischen filmischen Mitteln.
Und wieder gibt es Besuch. Diesmal ist es eine total verzogene, weltfremde Baronesse (Ana de Armas), die behauptet, die halbe Insel gekauft zu haben und am Strand ein Luxushotel der Weltklasse bauen zu wollen.
Lieber aber vergnügt sie sich mit lautem Gestöhn mit ihren beiden Boys, die sie bei der Landung auf ihren Schulter über den Strand tragen. Jetzt ist das Personal versammelt, das sich das Leben auf der Insel in nächster Nachbarschaft, so richtig madig macht.
Howard folgt dem Faden der Zündschnur, die durch menschliche Eigenschaften und Unausgereiftheiten am Kokeln gehalten wird und vorsorglich lässt er schon mal einen Vulkan in Sichtweite der Insel ausbrechen.
Gibt es etwas Geeigneteres für anthropoloigsche Studien in der Kunst als eine Insel; darzulegen, dass ein vermeintlich großer Geist statt Großes zu verbringen, lieber die Nachbarn überlistet, wie Trude an einer Stelle nicht grundlos ihrem Friedrich vorwirft?