Schneewittchen

Das Momentum des Widerstandes,

auf das das wache Amerika geradezu sehnsüchtig wartet, ist in dieser ordentlichen Hollywood-Repertoire-Verfilmung von Marc Webb nach dem Drehbuch von Erin Cressida Wilson, Dorthy Ann Blank und Richard Creedon sehr schön herausgearbeitet worden.

Schneewittchen (Rachel Zegler) steht der Herrscherin und bösen Stiefmutter (GalGadot) samt ihrem martialischen Staatsappart vor mächtiger Schlosskulisse unbewaffnet gegenüber. Hinter ihr die Stadtbewohner, vor allem Frauen in eindrücklicher Chormenge.

Schneewittchen soll verhaftet werden. Sie ergreift das Wort. Sie erinnert die Soldaten an ihre Herkunft. Sie kennt sie namentlich aus ihrer Jugend. Sie erinnert an die gute Zeit unter ihrem Vater als König. Der Machtbann ist gebrochen, das Momentum des Widerstandes in Gang gesetzt.

Ob die Amerikaner spüren, was die Szene ihnen erzählen will und ob sie deswegen dem Film zu einem größeren als dem kalkulierten Erfolg verhelfen?

Es ist konventionelles Kino mit den Fundusmitteln Hollywoods erzählt. Das heißt zuerst, dass viel Sorgfalt verwendet worden ist auf die der Geschichte immanente Dialketik, die den Fortgang bestimmt. Das hat eine zwingende Folgerichtigkeit. Die Ausschmückungen bremsen nicht, sie sind opulent, wie es eben Hollywood ist. Wenn es Eichhörnchen gibt, dann ein Heer davon und ein Igel ist genauso wenig an Niedlichkeit zu toppen.

Schön ist schon der Anfang mit dem Märchenbuch, den wunderbar dekorativen Inkunabeln und den süßen Tieren drum herum. Das glückliche Leben unter einem gütigen König wird üppig geschildert. Schneewittchen ist noch ein Kind (Emilia Faucher). Der Tod der Mutter wird unsentimental erzählt und nur symbolisch bildhaft umgesetzt. Die Stiefmutter hält Einzug am Hof, beseitigt den König.

Schneewittchen von ihrer Stiefmutter stiefmütterlich ins Abseits gestellt. Wie Schneewittchen eine junge Frau ist, begegnet sie Jonathan (Andrew Burnap). Ein typisch jugendlicher Held. Sie befreit ihn.

Die Stiefmutter ist herrschsüchtig, eitel. Der Spiegel meint, dass Schneewittchen die Schönste im ganzen Land sei. Sie muss beseitigt werden. Aber sie kann fliehen usw. Die Geschichte darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Die Filmemacher haben gar nicht erst eine Umdeutung oder Veränderung versucht, so weit trifft wohl der Begriff des Repertoir-Kinos zu. Es ist auch als Musical angelegt. Die Darsteller singen hervorragend und die Tanznummern des Chores erinnern ebenfalls an das gute, alte Stadttheater, so wie Kostüme und Ausstattung, halt im Maßstab eines Hollywoodstudios. Denn wenn einer hier mit dem Vorhandenen umgehen kann und die entsprechenden Leute hat, so kann durchaus etwas Taugliches und Anschaubares herauskommen dabei; die Klassiker, so wie wir sie kennen.

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