Rue Picasso 7
Dieser Straßenname hört sich wie Hohn an, wenn die Kamera nach einem Drohnenflug in diesem Wohnhochhaus in der Pariser Banlieu ankommt.
Der Blick in die Wohnung in der vielleicht achten Etage zeigt eine Trauersituation. Eine alte Frau ist gestorben, afrikanische Einwanderin, die Frauen nehmen Abschied am Sarg, der in einem der Zimmer aufgebahrt ist.
Männer versuchen den Sarg durch das enge Treppenhaus runterzutragen. Sofort werden Erinnerungen an Spiders: Ihr Biss ist der Tod wach. Dieses enge Treppenhaus, die Graffitis, der Lift der ausfällt, der Zustand des Hauses.
Es dauert nicht lange, bis so ein Block in Anwesenheit der Politprominenz des Stadtteils gesprengt wird. Hier kommt die Erinnerung an einen anderen, jüngeren Banlieu-Film Gagarin – Einmal schwerelos und zurück. Auch dort wird so ein Wohnhochhaus gesprengt. Die Abrissbegründung ist immer dieselbe: der Stadtteil soll schöner und besser werden.
Hier im Film von Ladj Ly (Die Wütenden), der mit Giordano Gederlioni und Dominique Baumard auch das Drehbuch geschrieben hat, bricht im nach der Sprengung massiv aufgewirbelten Staub der schärpenbehangte Bürgermeister tot zusammen. Pierre Forges (Alexis Manenti) übernimmt den Job kommissarisch. Er will mit harter Hand im Quartier durchgreifen.
Die Verhältnissse sind prekär. Forges will einen wilden Markt räumen lassen und er erfindet einen Antibandenerlass. Es zeigt sich, dass auch in den elitären Politkreisen einiges im Argen liegt. Vizebürgermeister Roger Roche (Steve Tientcheu) wird von der Technokratin und Stadtplanerin Agnès (Jeanne Balibar) drauf hingewiesen, dass er möglicherweise das Bauernopfer bei der Aufdeckung gewisser Missstände werden wird.
Die wichtigste Rolle jedoch spielt Haby Keita (Anta Diaw), eine moderne, junge Französin, wie sie als Selbstauskunft preisgibt. Sie wohnt auch in dem Haus an der Straße mit dem berühmten Künstlernamen. Die Bürgermeisterwahl steht an. Auch Pierre Forges muss sich stellen, da er ja nicht gewählt ist. Weil Forges hart und inhuman durchgreift im Quartier, lässt Haby sich als Gegenkandidatin portieren; der Auslöser ist der Antibandenerlass. Sie wird zur Stimme der Jungen, der Ausgebooteten.
Die Verhältnisse spitzen sich zu, wie in einer Wohnung, in der eine illegale Küche betrieben wird, ein Brand ausbricht. Tumultöse Szenen beim Brand und auch wie darauf Forges die Chance nutzt, das Haus räumen zu lassen, sind die Folge.
Dies ist ein weiterer, aufregender Film aus den Pariser Vororten, der sehr genau dieses Milieu, in dem Migranten, Franzosen mit migrantischem Hintergrund und Flüchtlinge aus Syrien beispielsweise in viel zu beengten Verhältnissen miteinander auskommen, zurechtkommen und überhaupt zu überleben versuche müssen. Ein explosives Gemisch, auf das es aber auch die Antwort gibt, du kannst nicht immer nur zornig sein.