Das kostbarstes aller Güter

Ein Märchen

Zumindest reflektiert dieser Animationsfilm am Schluss selbst, ob es vielleicht doch nur ein Märchen gewesen sei. Und schon gar nicht ist irgendwo zu lesen „nach einer wahren Begebenheit“.

Märchenhaft fängt die Geschichte an, in einem Winter, in einem finsteren Wald. Hier leben abgeschieden ein Holzfäller und seine Frau. Kinder gibt es keine. Sie sind am Rand des Hungers und zusätzlich Mäuler zu füttern, wäre kaum möglich.

In der Nähe fahren nächtens Güterzüge vorbei, es ist die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Sie werden gezogen von Dampflocks, die wunderschöne Formen von Wolken hinterlassen auf den erstklassig holzschnittartigen Zeichnungen.

Die Frau betet, einer der Züge möge ihre doch eine Ware schenken. Tatsächlich hört sie eines Tages ein Wimmern im Schnee. Sie findet einen Säugling, das Geschenk eines der Züge. Ihr Mann, der als abweisender Grobklotz gezeichnet ist, findet das nicht gut. Er behauptet, das Kind sei eines der Herzlosen.

Immerhin darf seine Frau das Kind behalten, wenn sie im Stadel übernachtet. Milch besorgt sie sich von einem Waldmenschen, der heimlich eine Ziege hält. Gegen einen Packen Reisig.

Nach und nach weicht das Kind das Herz des Holzfällers auf. Er wird zum Gutmenschen, der das mit dem Leben bezahlt. Aber das ist nicht das, was Michel Hazanvicius, der mit Jean-Claude Grumberg auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählen will.

Dass es sich um eine Holocaustaufarbeitungskeule handelt, wird spätestens klar, wie er die Geschichte von der anderen Seite her auffädelt, wie er sie aus Kindes Sicht beschreibt. Es stammt aus einem KZ-Transport.

Der Film verlagert sein Interesse auf die Schilderung der Gräuel im KZ. Immer wieder stoßen die Kamine Rauch aus, immer wieder rattern die Züge; und wie die Flugzeuge der Alliierten den Himmel füllen, da müssen Gefangene mit Judenstern noch Leichen entsorgen. Grauenhaft verzerrte Leichenminen bedecken die Leinwand.

Der Holocaust hat nichts an seinem Grauen verloren, man darf es nicht vergessen. Allerdings muss auch das Erinnern immer wieder sich einen neuen Zugriff einfallen lassen, um nicht in Routine und Gedankenlosigkeit zu erstarren. So haben es The Zone of Interest gehalten oder Die Ermittlung. Vor allem dürfte es der Film angesichts von 7. Oktober 2024 und der frischen Gräuel in Gaza aktuell schwer haben im Wettbewerb um Aufmerksamkeit.

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