Öffentlich-rechtliches Somalia
„Somalia ist eines der ärmsten Länder der Erde und das Land mit dem schlimmsten Hunger. Im Februar 2023 waren laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef über 6 Millionen Menschen in Somalia von Hunger betroffen.“, so nachzulesen bei Wikipedia.
Somalia im Kino ist aber auch „Blak Hawk Down“ von Ridley Scott, ist Machtlos vor Somalia, Samia, Danger Zone und Global Family.
Und jetzt wird es mit dem öffentlich-rechtlich geförderten und beaufsichtigten (ORF, arte ua.) Film von Mo Harawe in die Nähe des Paradieses gerückt, also nur in die Nähe von und Paradies gemeint als eine Ortschaft. Diese hat wenig Gesicht. Armselig aber sauber. Prekäre wirtschaftliche Situation.
Das Politische wird randständig gleich zu Beginn abgehakt mit dem Ausschnitt aus einer Nachrichtensendung, aus der zu entnehmen ist, dass Drohnen, von wem auch immer gesteuert, einen Terroristen in seinem Auto gezielt abgschossen hätten. Das Bild ist zu sehen und auch, wie die Drohne noch einen Sicherheitsschuss nachliefert.
Das muss ausreichen als Intro zum Protagonisten – aus den lausigen Angaben bei IMDb ist eine namentliche Identifikation des Schauspielers nicht möglich. Er ist Totengräber. Später wird man sehen, dass er Taglöhner ist, der sich mit verschiedenen Jobs über Wasser hält. Er begräbt den ermordeten Terroristen, wird aber nicht voll bezahlt dafür.
Da legt der Film immer wieder seinen Zeigefinger drauf, dass die Menschen in prekären Situationen leben, dass sie Schulden machen oder nicht bezahlen können, immer wieder wechseln Scheine bündelweise die Hand.
Der Protagonist lebt mit seinem etwa zehnjährigen Sohn zusammen. Dessen Schule wird aus Finanzgründen geschlossen. Dem Sohn wird der Besuch eines Internates empfohlen, da der Bub intelligent sei. Aber wie bezahlen? Die Schwester des Protagonisten zieht nach ihrer Scheidung wegen Kinderlosigkeit zu ihm.
Um die Schule zu bezahlen, klaut der Bruder Geld aus dem Blechkasten. Man belügt sich in den hier geschilderten sozialen Schichten gerne. Die Behausungen sind einfach, aber direkt malerisch-arm eingerichtet und sehr sauber.
Die Szenen sind akkurat und langsam inszeniert, damit ja nichts von den sorgfältig geschriebenen, die Essenz der Szenen herausarbeitenden Dialogen verloren geht. Dadurch verlängert sich der Film, der eher wie ein Soziofile aus Somalia daherkommt, auf eine Spielzeit von über zwei Stunden.
Es werden viele Begebenheiten und Handlungsstränge angerissen, die nicht weiter verfolgt werden oder in ihrer Konsequenz bedacht sind. Mal kauft der Protagonist einen Ventilator, mal zapft jemand eine Stromleitung an, mal will jemand einen Bankkredit oder eine Hütte mieten.
Eine Figur, die stellvertretend für den Kathkonsum steht, heißt Mandela, wird als Spinner bezeichnet und kann ungestört Schmuggelwaffen klauen. Und auch eine Chemiekatastrophe mit Kanistern findet Erwähnung.
Es gibt einen Besuch bei einem Clanchef, der malerisch unter Palmen residiert, eine Blasmusik stapft einmal durchs Bild, das Meer ist nicht unrreichbar und an dessen Rand gibt es Fischerboote, aber auch das Thema der industriellen Überfischung wird mit einer Demo anskizziert.
Der Film präsentiert ein Bild von Somalia als eines entwicklungsbedürftigen Landes wie es vielleicht vor allem dem Weltbild von öffentlich-rechtlichen Redakteuren entspricht und wohl kaum Zuschauer ins Kino locken dürfte, zuwenig interessiert der Film sich für die Einzelschicksale.