Der Brutalist

Ein Stück fürs amerikanische, historische Museum

Amerika hat im Vergleich zu Europa enorme Defizite, was seine Geschichte anlangt, die ist, speziell im Hinblick auf Dokumentation, sehr jung, also die Vereinigten Staaten von Amerika und nach diesem Film von Brady Corbet, der mit Mona Fastvold auch das Drehbuch geschrieben hat, fragt man sich, was überhaupt aus dem Land geworden wäre ohne die Immigranten.

Der Film ist ein Mehrfaches: ein Stück Holocaust-Geschichte, ein Stück Immigranten-Geschichte, eine Liebesgeschichte, ein Stück Philadelphia-Geschichte, ein Stück Architektur-Geschichte. Es ist das Verdienst des Filmes, die Geschichte der amerikanischen Architektur mit der Weltarchitektur zu verbinden, mit dem Epilog und Höhepunkt des Filmes, einem Gang über die erste Architektur-Biennale in Venedig 1980.

Mit großer filmischer Kelle angerührt und mit Wucht wird in einem überzeugenden kinematographischen Realismus erzählt, der zu Intention und Geschichte passt, die Geschichte des ungarischen Architekten László Tóth (Adrien Brody) von seiner Ankunft 1947 aus Bremerhaven in New York bis 1960.

Diese Geschichte ist in zwei Teile aufgegliedert, die durch eine Pause (der Film ist dreieinhalb Stunden lang) gegliedert sind. Im ersten Teil kommt Tóth in New York an und zieht bald nach Philadelphia, lernt dort seinen späteren Auftraggeber Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) kennen. Dort bekommt er den Auftrag für ein Gebäude mit mehreren Zwecken, Sporthalle, Kirche und anderes mehr, das zu einem wegweisenden Bau in der Geschichte des Brutalismus und auch für seinen Stil werden dürfte. Die Geschichte dieses Gebäudes ist ein Hauptgewicht des Filmes.

Im zweiten Teil trifft endlich seine Frau Erzsébet (Felicity Jones) in Amerika ein, begleitet von Zsófia (Raffey Cassidy). Dieser zweite Teil wird insofern komplizierter, als die Eheleute sich lange nicht gesehen haben, als László nicht nur enthaltsam gelebt hat; er aber andererseits auch auf starke Medikamente/Drogen angewiesen ist, um die Folgen aus der KZ-Zeit erträglich zu machen.

Zudem ist Tóth wie angefressen von seinem Architektur-Projekt; bei dem ihm immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. Auch seine Frau ist beschädigt durch die Folgen der Kriegszeit.

Aber es ist auch eine amerikanische Erfolgsgeschichte, wie der oben erwähnte Epilog belegen wird. Durch die Verwicklung der Ebenen, dieser verschiedenen Geschichten, die alle scheinbar einfach und naiv erzählt werden, entsteht insgesamt ein Film, der die fast vier Stunden spielend trägt und den Zuschauer reichlich gesättigt, ja erst mal platt, aus dem Kino entlässt.

Das Muster der Parallelität von vielem gibt der Film schon in den ersten Sequenzen kinematographisch zu verstehen, nicht nur eine Kamera, die von der Seefahrt noch durchgerüttelt ist im Durcheinander der Einwanderer und die aus tiefer Tiefe wie verdreht zur Freiheitsstatue hochschaut, eine Kamera die Fahrten mit Bahn oder Auto nicht einfach aus dem Fenster mitschneidet, die wie selbständig über den Teer rast und eine Musik, in der eben nicht eindeutig Bomben fallen, sondern deren Geräusch in Klassik übergeht.

Die Filmemacher lassen sich beim Einsatz der filmischen Mittel nicht lumpen, setzen andererseits bei der Inszenierung der Darsteller auf bewährt konservative, aber immer packende, Hollywoodmittel, mit denen die Traumfabrik erfolgreich Realität vorgaukelt. Ein beinah schlemmerisches Extempore liefert der Film mit dem Besuch seiner Protagonisten in Carrara, um den Marmor für den Altar der Kirche auszusuchen.

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