Bei diesem Film kann man über unser Verhältnis zum Alter nachdenken.
Müssen Alte unbedingt in Rente? Sind sie ausrangiert? Warum soll eine 80-jährige Oma, die ihr Leben als Sozialpädagogin und schließlich in leitender Position im Gefängnis im Strafvollzug verbracht hat, im Alter nicht auflegen für die partyfreudige Jugend?
Der Film von Agnieszka Zwiefka hat eine klare Antwort: Warum nicht? So ein Topos ist selbstverständlich im Dokumentarfilmkuchen eine wahre Rosine, ein Hingucker, erst recht im Moment, wie Vika bei der Christopher Street Parade auf einem Musikwagen auflegt.
Dass dem so ist, dass das so außergewöhnlich ist, ist aber auch ein Zeichen dafür, wie schwer sich unsere Gesellschaft mit der Banalität des Alterns, letztlich des Sterbens tut.
Anhand seiner wundervollen Protagonistin beschäftigt sich der Film dezidiert mit dem Thema Alter und lässt sich gleichzeitig faszinieren von alten Gesichtern, besonders von Frauen. Es gibt großartige Tanznummern mit prima geschminkten, frisierten und angezogenen Damen, die sich mit ganzer Seele dem Rhythmus hingeben.
Das artet fast in einer Art Video-Werbeclip fürs Alter aus. Entspannung, Spa, Massage gehören dazu, Swimming Pool, Sonnenbad, Meer. Der Film ist auch eine fröhliche Hommage an die schönen Seiten des Alters mit Tanznummern wie in einem Musical auf öffentlichen Plätzen, im Kurpark, im Spa.
Es ist eine Adabei-Doku, die dabei ist, wie Vika lebt, mit ihrer Katze schmust, in ihrer Wohnung in einem Wohnhochhaus werkelt, den blumengeschmückten Balkon genießt; wie sie Gymnastik macht, sich schminkt, man will ja schön und gepflegt sein. Wie sie mit einer Freundin ausgeht und sich über das Alter und das Altern unterhält. Zwischendurch dringen dunklere Töne aus einer fernen Kindheit auf. Sie musste sich in Vilnius verstecken, alle ihre Verwandten sind im Krieg umgekommen.
Es gibt enorme Defizite in der Kindheit, die vielleicht als Erklärung dafür herhalten können, dass sie selber keine guten Beziehungen zu ihren Kindern hat, dass sie andererseits das Leben, was noch bleibt, leben möchte und keine Lust darauf hat, die kranke, bettlägrige Alte zu spielen. Sie ist international unterwegs, organisiert eine Seniorenparade. Und die Zahlenballons zu ihrem 81. werden einfach umgedreht, so wird daraus eine unbeschwerte 18. Vive Vika! Vive la Vie!