Krimineller, grad gut fürs Genrekino
Patryk Vega ist ein aufregender polnischer Filmregisseur. Mit gewaltiger Kelle richtet er seine Filme an, Genrefilme allesamt, er suhlt ich förmlich im Milieu drittklassiger Gangster, die aber Gangster durch und durch sind: Niwidzialna Wojna, Petla, Pitbull – Exodus und Love, Sex and Pandemic.
Das einzige, wozu Gangstertum taugt, um seine Filme auf eine Essenz grob runterzubrechen, ist als Material, als Substrat für Gangsterfilme, sonst taugen sie zu nichts und wieder nichts, sie sind ein Furz in der Geschichte, ihre Namen braucht man sich nicht merken, ihre Persönlichkeiten sind nicht weiter von Belang. Sie sind Outlaws, die sich ihren Reibach unter Umgehung der Gesetze machen und sonst weiter nicht von Interesse. Man kann und muss sich ihre Namen nicht mal merken.
So besehen ist der russische Despot genau die richtige Figur für Patryk Vega oder ist Patryk Vega wie vielleicht wie wenige sonst prädestiniert, einen Film über diesen skrupellosen, politischen Geschäftemacher und Menschenrechtsverachter zu machen, der wohl kaum als mehr als ein Pups in die Geschichte eingehen dürfte.
Die Gefahr, dass auch nur entfernt etwas wie ein Propagandafilm für diesen Winzling entsteht, besteht schon mal gar nicht. Patryk Vega traut sich sogar, einen Hoffnungsschimmer am Horizont aufzuzeigen. Er fängt im Jahr 2026 in einer Klinik in Moskau an. Der russische Diktator ist bereits siech, liegt am Boden, trägt einzig eine Windel, beherrscht seine Zitteranfälle nicht mehr. An ihm nagt der Zahn der Zeit.
Ab da arbeitet der Regisseur mit Rücklenden und springt in der Chronologie der Machtusurpation hin und her. Schnell bebildert er eine grauenhafte Kindheit, grau in grau, dicke Jacke gegen die Kälte. Dieser Bub wird eine der Erzählerfindungen sein, die den Helden der Geschichte ständig als Einflüsterer begleiten. Dieser Bub ist absolut gefühls- und skrupellos und nur am Machtgewinn und -erhalt interessiert.
Am Anfang dieser Verbrecherkarriere steht der Wechsel in die Administration um den alkoholkranken Jelzin. Dann die gewaltlose Machtübernahme. Vega zeigt seinen Protagonisten als einen penetranten Einflüsterer selbst, der dem Personal um ihn herum suggeriert, was er von ihnen hören will.
Später bekommt er noch eine Einflüsterin, eine Frau, die vorne dabei ist, wenn es um das Attentatsspektakel im Theater geht, das den Tschetschenen untergeschoben wird.
Einmal mehr tischt Vega filmisch spektakulär auf, dazu gehört das besondere Augenmerk auf das Training des Protagonisten, wie er das Zittern in der Hand in den Griff bekommt. Tschetschenien ist wichtig, Tschernobyl, der Krim-Überfall, der Ukraine-Überfall und einige Attentate vorgeblich von den Tschetschenen.
Der Film läuft nicht Gefahr, auch nur eine Sekunde lang einen falschen Respekt vor dem Drittklass-Ganoven zu erzeugen oder gar Bewunderung und Angst, wie sie im Westen teils immer noch vorhanden zu sein scheinen, wenn man die oft zögerliche Haltung zur Ukraine-Unterstützung betrachtet.