Warmherziges von den Rändern der britischen Gesellschaft
Hier sind wir nicht bei König Charles zuhause, nicht in irgend einem Schloss bei spleenigen britischen Adeligen, nicht in einem eleganten Viertel in London, hier im Film von Andrea Arnold (American Honey) sind wir irgendwo an der Peripherie der multikulturellen britischen Gesellschaft.
Aber wir sind es mit Liebe, mit Zuneigung, mit Nähe und ein Hochzeitsfilm, das darf ruhig verraten werden, wird auch noch draus.
Bug (Harry Keoghan) erzählt von Beginn des Filmes an, dass er Kayleigh (Frankie Box) heiraten will. Seine Tochter Bailey ist 12, behauptet, nicht mehr Jungfrau zu sein und will partout nicht das vom Papa besorgte Kleid auch nur anprobieren. Bruder Hunter (Jason Buda) hat eben seine Moon geschwängert, beide 14, und Papa will nicht wahrhaben, dass er bei der Zeugung seines Sohnes genau so alt gewesen ist.
Die Mama von Bailey und Hunter lebt mit dem brutalen Skate (James Nelson-Joyce) und den zwei kleiner Schwesterchen zusammen. Das ist vielleicht das größte Problem für den unvorbereiteten Zuschauer, diese genaue Familienkonstellation zu kapieren. Das hängt allerdings mit einem Qualitätsmerkmal des Filmes zusammen, nämlich der Kamera, die sich sozusagen ganz in die Seelenstimmung der Protagonistin Bailey hineinversetzt, die die Welt so fahrig wahrnimmt, so hochsensibel, so wach, so leicht ablenkbar wie es eine spürende 12-Jährige tut, die noch dazu in so unstabilem Umfeld wohnt und dringend einer Stütze, einer Verlässlichkeit bedürfte. Die mag nun eingebildet oder real sein. Das bleibt dem Zuschauer überlassen.
Diese Figur ist Bird. Franz Rogowski spielt ihn mit Grazie, mit Charme, leicht und mit Seele. Wunderbar zu sehen, wie er in internationalen Kinogewässern zu Kinogröße heranblüht. Oft steht er nur auf Hausdächern, Kaminen oder anderen Erhöhungen, wie Vögel es tun. Er kommt in Kontakt mit Bailey. Eine traumhafte Szene, wie er auf freiem Feld auf sie zutänzelt – und nichts Böses im Sinn hat, sondern nur nach einer Adresse fragt. Ihm wird eine realistische Geschichte zugeschrieben, er ist auf der Suche nach seiner eigenen Herkunft. Passender Stoff für ein Soziodram wie diesem.