Queer

Statuarik

wird mit dem ersten Bild behauptet, ein Stück Stoffbezug offensichtlich eines Sitzmöbels in Grau. Ein Tausendfüßler kriecht drüber. Der wird noch mehrfach symbolisch beigezogen werden in diesem neuen Film von Luca Guadagnino, zu welchem Justin Kuritzkes das Drehbuch nach einer Kurzgeschichte von William S. Burroughs geschrieben hat.

Es folgen weitere, statuarische Aufnahme von Details eines Schreibtisches, Inserts, Stills. Das ist vorerst ein Schock, diese Statuarik, wenn man den letzten Film von Guadagnino noch bestens im Kopf hat, Challengers mit demselben Drehbuchautor, ein unglaublich rasanter Film, so schnell wie ein Tennisball, latent vibrierend die Homosexualität zwischen den beiden Titelhelden.

Und jetzt das, eingefahrenes Schwulenleben von William Lee (Daniel Craig) irgendwo in Mexiko. Anbaggern und Abschleppen, bezahlen oder nicht. Sich in der Kneipe über Schwulität unterhalten. Öder geht’s nicht. Diese Ödnis, diese Statuarik wird leider auch öde präsentiert und die schwulen Beziehungen, die One-Night oder One-Hour Stands im Hotel dito.

Großes Ereignis ist der Vorfall, den der rundliche Möchtegernautor Joe (Jason Schwartzman) berichtet. Ihm hat ein junger Lover nebst diversen Dingen seine Schreibmaschine geklaut. Das ist schlimm, er steht da wie heute einer, der nicht mehr ins Internet kann. Aber der Film spielt in einer Zeit lange davor.

So viel zu den Aufregungen im ersten Kapitel, einem statuarischen, schwulen Sittengemälde aus Mexiko. Länger schon ist Lee der bebrillte Eugene (Drew Starkey) aufgefallen. Den lädt er auf einen Trip nach Lateinamerika ein. Der sagt zu.

Endlich kommt Bewegung in den Stillstand von queer as queer can. In der schwer leserlichen handschriftlichen Titelfarbe erscheint Kapitel 2 und wird als ‚Travelling Companions‘ angekündigt.

Sicher kann der geneigte Zuschauer jetzt ablesen, dass Lee vor der Leere und dem Stillstand des Schwulenlebens sich auf den Weg macht, auf die Suche nach Erfüllung. Das Bedürfnis darnach hat sich mir allerdings aus dem Spiel von Daniel Craig nicht erschlossen. Er spielt mir vielleicht zu dominant, dass er als Weltpromi Daniel Craig – und natürlich exzellent – einen Schwulen spielt (wenn das nicht schon mal wieder eine Diskriminierung ist…).

Heroin und Kokain werden wichtiger, nehmen mehr Leinwandfläche und -zeit ein. Die Folgen bekommt Lee körperlich zu spüren mit fröstelndem Kränkeln. Aber er will mehr, er spricht immer wieder von Telepathie und glaubt von einer halluzogenen Droge zu wissen, die es irgendwo im Amazonas-Gebiet gebe.

Der Film begibt sich auf die Spuren von B-Movie-Dschungelabenteurern und tischt diese fett studiohaft und auch mal einen Schuss übertrieben gespielt auf. Von den Rauschzuständen, die sich so ergeben, wird auch die Kamera erfasst und der Film scheint die filmische Kurve gerade noch so zu kriegen. Inhaltlich schält sich der Satz heraus „I am not queer, I am disembodied“.

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