Sanfte Erzählung
In telenovelahafter Ausführlichkeit und Geschwindigkeit ventiliert dieser Film die großen Probleme Indiens, die als sanfte dunkle Akkorde in der sensiblen Beschreibung der Geschichte von zwei Krankenschwestern mitschwingen: der nationalistische Hinduismus, die Diskriminierung der Muslime, Ausbeutung durch Bauherren und Wohnungsverlust, Stadt-Land-Diskrepanz, arrangierte Ehen, Stand der Frau.
Prabha (Kani Kusruti) und Anu (Divya Prabha) arbeiten als Krankenschwestern in einem Multy Speciality Hospital in Mumbai in der Kardiologie. Sie wohnen zusammen und kommen aus dem gleichen Dorf. Prabha ist verheiratet. Sie hat ihren Mann bei der Hochzeit kennengelernt und jahrelang nicht mehr gesehen. Er ist nach Deutschland zum Arbeiten gegangen; die Anrufe sind seltener geworden. Dann kommt ein Paket aus Deutschland.
Anu ist verliebt in Shiaz (Hridhu Haroon) und trifft sich heimlich mit ihm. Die Beziehung ist nicht gesellschaftsfähig, weil er Muslim ist und die Eltern andere Heiratspläne für Anu haben.
Payal Kapadia schildert diese Leben, diesen Alltag aus respektvoll intimer Nähe, er schaut in die Menschen hinein, sieht ihre Sehnsüchte, ihre Zwänge, ihre Hoffnungen, ihre Lebensbewältigung.
Der Film fängt dokumentarisch an mit einer langen Fahrt durch die mit Händlern dicht belebten Straßen Bombays, lässt darüber Menschen von ihrem Schicksal erzählen, davon, dass sie vom Land in die Stadt gekommen sind, weil sie hier Geld verdienen können, und dass es praktisch kein Dorf, keine Nachbarschaft gebe, von der nicht jemand sich für Bombay entschieden habe.
Hier gibt es die Hochhäuser, die sie gebaut haben, die Investoren, die diejenigen rausschmeißen, die keine Papiere haben, die belegen, dass sie schon so und so lange da wohnen. Und es gibt den radikalen, nationalistischen Hinduismus, der die Atmosphäre im Land vergiftet.
Bei Payal Kapadia wird nicht dramatisiert, da wird nicht angeklagt oder gejammert, da wird mit Liebe und Feingefühl auf die Menschen geschaut, wie sie mit diesen Parametern, die ihre Leben bestimmen, zurechtzukommen versuchen.
Dass die grausame Welt kinematographisch so mild, so sanft, so zart fast beschrieben werden kann, hat eine Wirkung auf die Zuschauerseele wie eine einfühlsame Massage. Deshalb wohl der Titel: alles, was wir uns leicht – oder licht? – vorstellen. Das ist es, was der Film dem westlichen Zuschauer bringen kann; und womit er ihn in eine wundersame Kinowelt entführt. Den Zeitgeist-Input, wenn er denn solchen sucht, kann der Zuschauer sich bei den deutschen Komödien besorgen, wie im heute parallel anlaufenden Spitznamen – und die gibt es ja wie Sand am Meer.