Hübscher nackter Mann betört und verstört Britannia
Teorema von Pasolini lässt grüßen: junger erotischer Mann bringt großbürgerliches Familienleben durcheinander.
Explizit verweist Bruce LaBrue, der mit Alex Babboni und Victor Fraga auch das Drehbuch zu diesem plakativ-kunstinstallationshaften Pamphlet geschrieben hat, auf Bunuel, auf den diskreten Charme der Bourgoisie. Er kritisiert mit einem Voice-Over-Text die britische Immigrationspolitik, die illegale Immigranten in Lager nach Ruanda abschieben will.
Der titelgebende Gast ist Bishop Black, ein supergut aussehender junger Mann, der seinen Körper zu präsentieren versteht. Er wird, und hier erinnert der Film am meisten an eine Kunstperformance, in einem viel zu kleinen Rollkoffer in der Themse angeschwemmt. Im SplitscreenVerfahren und unter Einsatz von Farbtafeln wird mitgeteilt, dass überall in London solche Koffer angelandet worden sind. Den an der Themse findet ein Obdachloser (John Foley) neben seinem Zelt.
Dem Koffer entsteigt nackt wie ein griechischer Gott Black Bishop. Später wird er dem Obdachlosen abgewetzte Kleider aus dem Zelt klauen. Damit steht er vor der Tür des schlosshaften Anwesens der Protagonistenfamilie, spleenige, masslos reiche Briten mit Vater (Mackling Kowal), Mutter (Amy Kingsmill), bärtiger Tochter (Ray Filar) und Sohn (Kurtis Lincoln).
Außerdem gibt es eine Maid (Luca Federici) im Haus, die nach Abreise des Gastes wie bei Pasolini in die Religiosität abdriftet. Und der Sohn wird sich wie bei Pasolini der Malerei zuwenden.
Der Film ist ein Fortschreibung oder eine Aktualisierung von Teorema, proaktiver im Sex, richtig hardcore und plakativer in der Ästhetik.
Erst kleidet die dekadente Familie den Gast in Frauenunterwäsche ein, dann gibt er in der Küche Kot, Urin und Blut für das Familienmenü ab. Die Dinge dürften aphrodisiasierende Vorarbeit leisten für die Sexzesse die folgen, nicht immer nur zu zweit, auch zu dritt, gefesselt oder mit den Folgen einer Schwangerschaft und queer sowieso. Alles dreht sich um und sehnt sich nach dem Besucher, der keine Hemmungen kennt.
Die deftigen Szenen, die primär unter dem Aspekt der Schönheit gedreht wurden, werden von knalligen Zwischentiteln unterbrochen wie A NEW SEXUAL VISION FOR THE UK / INVADE MY ASS / SEXUAL DEMOCRACY NOW / POSSESS THE POSSESSOR / COLONISE THE COLONISER / OPEN BORDERS – OPEN LEGS / SEX HAS NO BODERS / A QUEER LIBERATION / OVERRULE BRITANNIA.
Die Abreise des Gastes hinterlässt eine verstörte Familie, die glaubt, etwas von Freiheit gespürt zu haben, die diese aber offensichtlich nicht von Zügellosigkeit unterscheiden kann.