Schule ohne Schüler
Der wahre Horror von Schule oder vielleicht auch des Schulwesens (-unwesens) zeigt sich erst, wenn das Institut ohne Schüler gezeigt wird wie hier im Film von Halfdan Ullmann Tondel. Er betont das in den Zwischenakten mit typischen Horroraufnahmen aus den Fluren des geräumigen Schulhauses irgendwo in Norwegen.
Hier geistern Erwachsene herum. Es sind Lehrkräfte und Eltern, ab und an noch eine Putzkraft. Es gibt, bevor gefeiert werden kann, einen Kasus zu verhandeln. Erst im kleinen Kreis. Der wird dann immer weiter.
Was ist zwischen Jon und Armand passiert? Jon wurde weinend auf der Toilette aufgefunden, Armand soll ihn belästigt haben. Es gibt keine Zeugen, das ist der entscheidende Kick. Erst wird zwischen dem Direktor Jarle (Oystein Roger) und der Lehrerin Sunna (Thea Lambrechts Vaulen) drüber diskutiert, wie über den Fall diskutiert werden soll.
Eine Frage, die den Film durchläuft, wie ernst man die Angelegenheit nehmen soll, ernst oder nicht ernst. Hier gibt es schon eine Auffälligkeit, klar eine inszenierte, Sunna stopft sich vor der Besprechung noch schnell die Reste eines Sandwiches in den Mund. Nächste Auffälligkeit gibt es bei der dritten Person, die bei dieser Besprechung anwesend ist, Ajsa (Vera Veljovic-Jovanovic), der Drehbuch und Regie als Running Gag ein hartnäckiges Nasenbluten zuschreiben. Obwohl sie das öfter zu haben scheint, ist sie doch mit Tempos oder Nasenpfropfen schlecht ausgerüstet.
Es stößt dann bestellt Elisabeth (Renate Reinsve) dazu, um ihren Buben Armand geht es schließlich, aber es wird im Dunkeln gelassen, was Sache ist. Schließlich kommen als vorerst letzte die Eltern von Jon, das sind Anders (Endre Hellestveit) und Sarah (Ellen Dorrit Petersen).
Später trudeln weitere Eltern zu einem Elternabend in der Schule ein und das geheimnisvolle Thema ist nicht mehr zu bändigen. Hier sprechen also alle über etwas, das sie nur vom Hörensagen und meist aus zweiter Hand kennen. Das wirkt momentweise wie ein groteskes Abbild unserer Gesellschaft. Auch wie lange um den heißen Brei herum laviert wird.
Ein paar Infos werden im weiteren Verlauf des Filmes durchgestochen. Die Mutter von Armand ist Schauspielerin, lebenslustig. Ihr Mann hat sich wohl aus unerklärlichen Gründen umgebracht. Gewalt in der Familie wird angedeutet. Sarah ist die Schwester dieses Mann und auch das wird später im Film sehr deutlich gemacht, sie ohrfeigt wiederum ihren Mann. Tropfenweise Backgroundinfo.
Keiner weiß, wer die Wahrheit sagt, wer lügt. Einmal bekommt die Schauspielerin einen minutenlangen Lachanfall, wie die Lehrer sagen, sie hätten ein Konzept für das Vorgehen, ein allgemeines und ein individuelles. Elisabeth steigert sich in den Lachkrampf hinein über das allgemeine Rezept (die beiden Kids, die Neffen sind) zu trennen. Sie wundert sich, was denn individuell an diesem Rezept sei.
Es wirkt momentweise wie absurdes Theater. Ein Eindruck, der später im Film noch erhöht wird, wenn Elisabeth plötzlich in einem Flur einen Ausdruckstanz mit dem Putzmann hinlegt.
Irgendwann steht die ganze Gesellschaft, die sich inzwischen in dem Schulgebäude versammelt hat, im Regen. Und der Zuschauer in der Pressevorführung schwimmt auch, weil dieser offenbar immer mehr und immer häufiger die deutschen Untertitel weggeschwemmt hat samt dem Hinweis darauf, wer diese zu verantworten habe. Dabei scheinen noch einige Sätze gesagt worden zu sein, die vielleicht Licht in den dunklen Kasus hätten werfen können.