Lebenslinien: Wie ich auf der Straße landete (BR, Montag, 18 November 2024, 22.00 Uhr)

Reißerischer Titel

Diese routiniert runtergenudelten Lebenslinien von Andi Niessner unter redaktioneller Obhut von Johanna Teichmann täuschen schon mit dem Titel.

Sie fangen damit an, dass die Protagonistin Marion in eine eigene Wohnung zieht. Von einem Heim aus, in dem sie ehrenamtlich sich engagiert für die anderen Mitbewohner. Also nix Straße. Oder längst passé.

An einer Stelle wird vorwurfsvoll bekanntgegeben, dass sich die Familie von Marion geweigert habe, an diesen Lebenslinien mitzuwirken. Das ist ihr gutes Recht. Es erscheint kleinkariert, wenn dann trotzdem Fotos mit solchen Familienmitgliedern verwendet werden und deren Gesichter unkenntlich gemacht sind, als ob sie nur aus dem Gesicht bestehen würden und Körper und Kleidung nicht ihre eigenen wären; das wirkt unangenehm, so als wolle der BR den Wunsch dieser Menschen und vermutlich ebenfalls Gebührenzahler nicht respektieren. Das macht keinen guten Eindruck.

Ansonsten wird der Lebenslauf der Protagonistin ihrer Erzählung entlang durchgegangen und mit Talking Heads angereichert.

Das Filmteam nutzt jede Möglichkeit für einen Ausflug an frühere Lebensstationen. Das bleibt unergiebig, da das im Titel versprochene Thema außer Acht gelassen wird. Durch die Durchlaufmethode bleiben die besuchten Locations austauschbar und erzählen wenig Individuelles über das Leben von Marion.

Im Vergleich zu den Lebenslinien über Dietmar Holzapfel, die konsequent am Thema von Liebe und Gerechtigkeit entlang sich entwickeln, begnügt sich diese anspruchslose Variante des Formates mit Abhaken von Lebenslaufpositionen. Das ist öde, dabei wirkt die Protagonistin interessant und ihre Leben könnte sicher auch spannend erzählt werden. Das passiert hier aber nicht, wirkt gar konfus und durch das viele Gerede verwirrend.

Der Titel ist irreführend, wirkt veräppelnd, weil das auf der Straße-Sein eine Phase in einem wechselhaften Leben war, es ist nicht Charakteristikum oder Thema, es war ein Unfall, ein Unglück, das längst behoben ist.

Marions Thema wäre vielleicht die Gutmütigkeit und auch die Empathie mit anderen, anhand der das Zuschauerinteresse gepackt werden könnte. Das ist ein häufiges Lebensproblem, ein immer wieder virulentes, wie weit der Mensch menschlich und mitleidend handeln soll, wie weit Gutmütigkeit ausgenutzt wird. Aber das scheint dem Regisseur und der Redaktion nicht aufgefallen zu sein, das muss man sich als Zuschauer sozusagen aus den Fingern und den Statements saugen.

Lebenslinien sollten doch fragen, was erzählenswert ist am Leben der Protagonisten. Diese Grundfrage scheint bei der Konzeption zur Sendung nicht gestellt worden zu sein; es schien lediglich das Reizwort von der Straße zu verfangen. Das ist für das Format zu wenig.

Wenig erhellend ist auch die musikalische Untermalung.

Das sind keine Lebenslinien, das sind Schwatzlinien.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

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