Frau aus Freiheit

Straight to the point

Das ist einer der Filme, die keine Sekunde nur einen Zweifel lassen, was sie erzählen wollen und dies auch tun, die Ausgangspunkt und Ziel nicht verheimlichen, die nicht lange rumsülzen mit Umgebungsarbeiten.

Andrzej ist zum Zeitpunkt der Kommunion ein Goldlockenjunge wie ein Engel, das ist 1980. Er springt vor den Mädchen davon und flüchtet auf einen Baum. Die Höhe, die spielt weiter eine Rolle. Er arbeitet, jetzt groß geworden (Mateusz Wieclawek), als Rowdy bei Verantaltungen, klettert wie ein Affe auf Gerüste. Aber auch die Höhe einer Eisenbahnbrücke, von der er sich stürzen will, ist attraktiv. Auf die Eisenbahnbrücke kehrt er als erwachsener, verheirateter Mann zurück, noch Mann, der sich als Frau fühlt.

Der Film von Malgorzata Szumowska und Michal Englert zieht aus dieser klaren Strategie den Vorteil eines erhöhten Genusses, denn das, was sie erzählen und erzählen wollen, das erzählen sie wunderbar, schönstes Genusskino und doch eine tiefe, menschliche Geschichte.

Allein die hetero Liebesgeschichte von Andrzej (Mateush Wieclawek) zu Iza (Bogumila Bajor), die ist umwerfend schön, schnell, romantisch beschrieben, traumhaft, traunhochzeithaft. Heirat, Kind.

Und die ersten Anzeichen des Gefühls des Andersseins. Die rot lackierten Zehennägel bei der Musterung. Damenmoden in Schaufenstern. Das Bewusstsein für das Frausein wächst.

Sie wohnen in einer polnischen Kleinstadt. Andrzej arbeitet in einem Büro. Die Zeit schreitet voran. Eines Tages funktioniert das mit der Erektion bei seiner Frau (jetzt: Joanna Kulig) nicht mehr. Er führt Tagebuch.

Der Film verlässt die Rückblendentechnik; er spannt sich von 1980 bis 2023. Er gibt sich immer mehr dem Sog der Verwandlung hin. Es ist atemberaubend, wie aus Andrzej zusehends Aniela wird (zwischendrin von Franciszek Englert, dann von der Regisseurin selbst gespielt).

Der Film verändert sich selbst; von der filmisch fantastischen Erzählung wird er realistischer. Er liefert Infos auch über solche Transitionen und ihre Schwierigkeiten, zuerst im privaten Umfeld und dann erst recht im Umgang mit der Bürokratie und der Justiz und deren hochnotpeinlichen Befragungen. Die Geldprobleme kommen hinzu, die solche Untersuchungen und Hormonbehandlungen kosten. Der Verkauf von Telefonkarten funktioniert eine Weile lang, bis die Karten als Fälschungen auffliegen. Letztlich bedeutet das Knast. Aniela hat darauf eine entwaffnende Antwort: ein Leben lang habe sie sich unfrei gefühlt; also: was ist schon Knast gegen jenes Gefühl der Gefangenheit.

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