Biedermann und die Apokalypse
So wie die Menschheit aktuell den Planeten fahrläßig, wenn nicht gar vorsätzlich, aufheizt mit ihrem Treibhausgasausstoß, dürfte in naher Zukunft einiges an zusätzlichen Katastrophen wie Extremwetterlagen auf sie zukommen und somit der Bedarf an apokalyptischen Bildern steigen. Diesen bedient der neueste Alien-Streich von Kelly Marcel, der mit dem Protagonisten Tom Hardy auch das Drehbuch geschrieben hat, vortrefflich, vergnüglichst und auf bildnerisch fantasievoll-abwechslungsreiche Weise.
Tom Hardy als Eddie Brock ist der Biedermann, der zum Gast für den Alien Venom wird. Als Eddie Brock guckt er so treuherzig, so schuldbewusst, als ob er Götz Georges kühnste Träume in diese Richtung Realität werden lässt. Er treibt sich in mexikanischen Spelunken rum und träumt davon, einmal die Freiheitsstatue in New York zu sehen.
Seit Eddie Symbiont ist, kämpfen zwei Seelen in seiner Brust. Hat er nun einen Freund oder was? Dieser Venom kann ihn innert Sekunden in ein malerisch schlangenähnliches Monster mit schlagkräftigen Tentakeln verwandeln. Wenn dieses zuschlägt, sind drei Männer schneller tot als gedacht. Das wiederum ergibt für den Biedermann einen Gewissensbiss, an dem er zu kauen hat. Man bringt ja nicht einfach so mal schnell drei Typen in einer Bar in Mexiko um.
In Nevada arbeiten Forscher in geheimen, teils unterirdischen Labors an der Erforschung von solchen Aliens. Das sind vor allem Dr. Payne (Juno Temple) und Dr. Strickland (Chiwetel Ejiofor). Sie entdecken Venom und sind hinter ihm her. Das setzt rasant fantasievolle Verfolgungsjagden in Gang. Nicht nur, weil die Forscher gut mit Personal, Instrumenten und Waffen ausgerüstet sind, sondern weil Venom seinem Host irrwitzig zur Hilfe zu kommen versteht. Da geht die kinematographische Post ab durch die Wüste, über Abhänge und Wasserfälle und auch unterwasser!
Es folgt ein Exkurs während der wilden Jagd nach dem Monster nach Las Vegas. Aber nicht nur intellektuelle Forscher, auch gefühlsdusselige Alt-68er geben ihre Position zur Apokalpse ab. Die Familie von Martin (Rhys Ifans) ist in ihrem romantischen Campingbus unterwegs als Alientouristen, die den geheimen Ort in Nevadas Wüste, der so geheim gar nicht ist, aus Katastrophenneugier besuchen wollen.
Wenn die wüssten, wen sie sich da in ihrem Bus mitgenommen haben, wer der Typ ist, der so bieder und abgerissen ausschaut, der barfuß durch die Wüste (teil auch nur mit einem Stiefel beschuht) wackelt.
Die Monster wiederum lieben Schockolade, die in der Campingbusfamilie streng verboten ist. Drum kann der kleine Junge diese dem mitfahrenden Eddie auch nur heimlich zustecken. Wobei er, im Gegensatz zu seinem Vater, überhaupt nicht scharf drauf ist, ein leibhaftiges Alienmonster kennenzulernen.
Wie es mit unseren Extremwetterlagen ist, wird auch in diesem gaudihaft-vergnüglichen Film einiges aus dem Ruder laufen und der Wissenschaftler-Satz „Forschen heißt opfern“ bekommt so seine ganz eigene Bedeutung.
Es dürfte sich bei diesem Venom-Film um den unterhaltsamsten der Reihe handeln (Venom – Let there be Carnage, Venom).
Es charakterisiert Eddie auch wunderbar, dass er eher dazu tendiert, seine Existenz as Wirt einem Hangover, einem Kater, und nicht einem Alien zuzuschreiben. Biedermänner sind harte Realisten bis zuletzt und erinnern sich ihre Erlebnisse genau so.