Nicht nur die Geschichtsphilosophen
haben die Welt nicht verändert, sondern nur verschieden interpretiert, das könnte von Odo Marquand stammen oder zumindest hat er es zitiert, auch den Filmemachern ergeht es ähnlich, und wenn sie sich noch so sehr über den verrotteten Zustand von Menschheit, Gesellschaft aufregen mögen oder den Kopf darüber schütteln.
Wenn wir schon bei den Philosophen sind, Habermas frustriert in Starnberg, so war zu lesen, da sich die Weltgeschichte nicht nach seinem Denken richtet, so seine Empfindung und in Kalifornien Francis Ford Coppola, der vielleicht nicht frustriert ist, der eher grinsend es der Welt mit einer Gesamterklärung nochmal kundtun will, indem er die altrömische DNA von New York reaktiviert, allerdings eher amused denn frustriert; that’s the difference.
Das Problem scheint mir, die Welt hat solchen alten, weißen Männern – egal ob Coppola oder Habermas – ständig zu verstehen gegeben, wie unendlich wichtig sie doch seien; und trotzdem macht die Welt, was sie will; ja, andere, hochkriminelle alte weiße Männer zetteln die schauderlichsten Kriege an und der Rest der Welt macht mit. Da müssen sich die künstlerisch-philosophischen weisen, weißen alten Männer verarscht vorkommen. Das hat Auswirkungen auf das Werk.
Kinofutter
Die Herrschaft von Gier und Korruption, der Machthunger der Wenigen als Gefahr für die Stabilität. So ergeht es auch dem alten, vielleicht weisen?, Francis Ford Coppola, der mit allen Kinowassern gewaschen ist. Er möchte nicht nur den Zustand der Welt erklären, sondern auch noch das Heilmittel zur Veränderung liefern.
Das ist etwas viel, das kann natürlich kein Mensch. Auch er scheitert daran, aber er tut dies großartig mit einer unglaublichen Bildausbeute und mit Würde. Er rebootet dafür die in New York schlummernde altrömische DNA.
Und tatsächlich, in der New Yorker Architektur finden sich mehr als nur Relikte, ganz Hommagen an die Römer. Und auch die Figur der Justizia. Die bricht allerdings in sich zusammen, wie sie der Kamera des Filmemachers ansichtig wird.
Er nennt sein Alterswerk eine Fabel. Dafür kommen relativ wenig Tiere vor. Oder er sieht die Mensch in ihren Trieben als Tiere.
Die Hauptfigur ist der Visionär Cäsar Catalina (Adam Driver, der leider bei überdosiertem Einsatz eine leicht eindösende Wirkung entfaltet), der gleich zu Beginn brilliert mit dem wie aus dem Knie geschossenen Hamletmonolog; da kannste was lernen. Das so nebenbei. Cäsar möchte die Stadt lebenswert machen.
Für die Realpolitik steht OB Cicero (Giancarlo Esposito), der Visionen wenig abgewinnen kann. Seine Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) macht sich an Cesar heran. Die beiden werden für den Liebesgeschichtsinput des Werkes stehen.
Als ein Shooting-Star wird Vesta Sweetwater (Grace VanderWaal) in den Film eingeführt wie aus einer Wundertüte.
Auf der Seite des Geldes und der Korruption steht Wow Platinum (Aubrei Plaza). Wow spielt die Macht des Geldes aus.
Weltanschauliche Konkurrenten sind Cesar und sein Neffe Clodio (Shia La Beouf), der Verführer, der Modemacher, der später auch nach der Herrschaft, nach dem Erbe von Crassus (Jon Voight) schielen wird.
Zugegeben, das Personal-Tableau ist etwas kompliziert und es ist ja nicht eine einfache, stringente Geschichte von A nach B. Sie dient mehr der Illustrierung der Weltsicht des Altmeisters.
Es kommt das besondere Material Megalon vor, es gibt eine Modenschau, Parties, die Idee des New Rome.
Coppola packt zuviel in seinen Streifen, für den er sogar Weingüter verpfändet haben soll. Er sinniert über die Zeit nach, die Ärgerlichkeit ihrer Unverdrossenheit, er spielt mit der Möglichkeit des Filmemachers, die Zeit anhalten zu können.
Kurz bevor Cesar sich vor einem Wolkenkratzer stürzt, hält er den Film an, ja lässt ihn rückwärts laufen. Oder wie Julia sich Cesar auf dem stilisierten Hochhausgerüstbalken, wie schon Harald Lloyd einen bespielte, sich nähert, lässt sie die Rose fallen, die dann einfach, bevor sie den unteren Bildrand erreicht, stehenbleibt.
Ja, es gibt Altrömisches, es gibt Ringkämpfe und Wagenrennen, auch die so schnell mal in den Film eingefügt zur Einlösung des altrömischen Versprechens. Aber all das kann die Welt nicht erklären, ihr Funktionieren nicht erklären, das ist zum Verzweifeln.
Coppola amüsiert auch, er stattet Cesar mit einem Nobelpreis aus, was bei seinem Konkurrenten nicht gut ankommt. Dann lässt er kurz recht jugendstilinspiriert die Vision von Cesars Traumwelt aufleuchten. Er kombiniert das Mittel des Autogrammjägers mit dem des Attentates; ein Kunstwerk, wie nach der Entfernung des Verbandes das verletzte Auge von Cesar ausschaut – einer Vision soll keiner was können.
Und dann will er wieder den Unterschied zwischen Mensch und Tier diskutieren – villeicht ist hier der Hinweis auf die Kategorisierung als Fabel zu finden. Oder er referiert auf den Renaissance-Menschen Petrarca.
Das unzufriedene Volk äußert mit Unruhen seinen Wunsch nach Change. Wie schließlich Coppola die Saturnalien mit Weihnachten verbandelt, kann man sich sicher sein, dass der alte Herr zumindest in sich hinein gegrinst haben dürfte, wie vermutlich generell bei der Grundidee, die altrömische DNA New Yorks virulent werden zu lassen.