Broke. Alone. A Kinky Love Story

Von der Mühsal der Internet-Sexarbeit

Wie bei einer schweren, alten mechanischen Ladenkasse rattern die Zahlen in pinker Farbe langsam runter. Sie geben den dramaturgischen Spannungsbogen vor. Wenn von über 7′ 000 bis auf Null oder gar ein Plus rückwärts gezählt ist, dann kann die Protagonistin Sarah (Nora Islei) ihre Wohnung behalten. Zusätzliche Spannungsschraube sind die Termine auf dem Wandkalender.

Die pinken Zahlen rattern ziemlich oft – in nicht allzu großen Schritten. Sie symbolisieren die Beträge, die Sarah übers Internet mit den Sexdates mit ihren Kunden verdient.

Voller Power und mit einem wahren Farbenmassaker lässt Anna Unterweger ihren Film nach dem Drehbuch von Frank Buckel, Michael Lütje und Hauke Schlichting beginnen. Es steckt die Kraft der Wut dahinter, wie sie sagt, die sämtliche Seitensprünge von Männern rächen will. Denn Sarah hat ihren Freund beim Fremdgehen in der eigenen Wohnung erwischt.

Nackt wie Gott ihn und diese schuf beschießt Sarah die Ertappten mit Farbpistolen, praktisch, dass er Kunstmaler ist und überall in der Wohnung Farbtöpfe rumstehen. Sie treibt sie aus dem Haus. Zurück bleibt sie mit Mietschulden und der Drohung der unmittelbaren Kündigung. Denn ihr toller Freund hat das Geld statt für die Miete für Sex-Chats im Internet ausgegeben. Noodleshaker heißt das Portal, bei dem sich Sarah umgehend als Sexarbeiterin bewirbt. (Sie hätte sich ja auch fragen können, ob es vielleicht an ihr gelegen habe, dass ihr Freund seine Sexfantasien im Internet ausleben zu müssen glaubte).

Der Film arbeitet sich an Sarahs Sexarbeiten ab, hat noch Zeit für Gespräche mit ihrem Vater (Gedeon Burkhard), mit ihrer Freundin Alicia (Aische Pervers) und für die Entwickung wahrer Verliebtheit von Tim (Julian Bloedorn), Alicias Bruder, in Sarah.

Grundtenor des Filmes ist – auch von der Musik unterstützt -, lasst uns eine Gaudi machen aus den Geschlechterspielen, lasst uns dies bei guter Stimmung tun, lasst uns nicht im Tiefgründigen verheddern, lasst uns einen forcierten Feminismus an den Tag legen, der die Männer als sexsüchtig sieht und den Frauen Überlegenheit attestiert.

Es ist auch ein Quarantäne-Film, der das Covid-Element als dramaturgischen Antrieb und kameratechnisch für den Split Screen einsetzt. Und es ist ein Film, den die persönliche Komfortzone, die man verlassen sollte, sehr beschäftigt – hat er selbst sie verlassen?

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