Das Flüstern der Felder

Autochthone Wucht

Nach dem ersten von vier jahreszeitlichen Kapiteln „Herbst“ ist die Angwöhnungsphase an den ganz besonderen Stil von DK Welchman und Hugh Welchman (die schon mit Loving Vincent auf sich aufmerksam gemacht haben, wobei dort das Kunstgewerbliche dominanter war) vorbei, verflüchtigt sich der Begriff Dekorkino, der noch durch anfängliche Feelgood-Musik verstärkt wird.

Dieser ganz besondere Stil besteht darin, dass ein fiktionaler Realfilm auf der Staffelei Bild für Bild nachbearbeitet wird. Das Bild, was dadurch entsteht, erinnert gelegentlich an den Pointillismus. Bauern auf dem Feld könnten so von Segantini stammen. Der Segantini-Vergleich bleibt allerdings die Ausnahme.

Je weiter der Film fortschreitet, desto mehr erinnern die Gemälde an Frans Hals; ein Sittengemälde aus dem ländlichen Polen. Es wird rauer, grobschlächtiger.

Der deutsche Titel vom Flüstern der Felder wirkt immer ironischer. Denn um Sensibilitäten geht es hier nicht. Der polnische Originaltitel lautet denn auch „Bauern“, auch der englische Titel heißt „The peasants“.

Es ist die Verfilmung des nobelpreisgekrönten Romans „Die Bauern“ von Wladyslaw Stanislaw Reymont. Er zeichnet kein sensibles Porträt der Menschheit. Es sind Bauern. Obwohl es auch Schreiner und den Pfarrer und den Bürgermeister gibt und den Reichen im Dorf, das ist Boryna (Mirowlaw Bakd) und der wird bald Witwer.

Dann ist da die übel beleumdete Jagna (Kamila Urzedowska), deren Mutter schon ihren Ruf weg hatte. Aber alle Männer wollen sie. Und sie scheint nicht vor allem Nein gesagt zu haben. Es gibt den Sohn vom Bauern, Antek (Robert Gulaczyk), auch er verliebt sich in Jagna. Aber vom Vater ist er verstoßen. Seine Schwester ist Hanka (Sonia Mietielica), die wird die Brave sein.

Und es gibt den Schmied Michal (Cezary Lukaszewicz). Auch er findet Jagna attraktiv. Das materielle Denken siegt. Die Mutter von Jagna (Ewa Kasprzyk) drängt die Tochter, den reichen Witwer zu heiraten.

Es ist ein Menschenbild, wie es angesichts von Kriegen in der Ukraine oder in Gaza heutiger nicht sein könnte: einfach gestrickt. Es breiten sich Vorurteile aus, Denunziationen, schnell wird jemand zum Außenseiter im Dorf und zum Bösen, entwickeln sich unverbrämt archaische Konflikte über Haben oder Nichthaben. Eifersucht kommt ins Spiel, Neid; und in Polen fehlt nie auch die Kirche.

Entfernt erinnert diese Menschenbild auch an jenes von Ramuz, bei dem erschwerend die feindliche Alpenwelt hinzukommt. Hier schrammt das Bild auch mal an der ländlichen Idylle vorbei. Die wird dann schnell wieder relativiert.

Der Film entwickelt sich zusehends zu einem autochthonen Statement über die Menschen, ein Statement, das in keinerlei Weise anbiedernd ist an irgendeinen Geschmack, an irgend eine Stilrichtung, an eine Generation, an irgend eine Kritikerpräferenz.

Durch die Bildbearbeitung kommen auch zusehends die Augen der Darsteller zu einer Wirkung wie selten im Kino. Es ist das Bild einer drittklassigen Menschheit, die alles andere als die Krönung der Schöpfung zu sein scheint, teils mit den Mitteln, die selber nie für Kunst-an-sich gehalten werden können; ja das Bildmeterial erinnert stellenweise auch gern an das vorhandene Hackelige bei den Jahresausstellungen der Gruppen bildender Künstler im Kunstverein. Mit unvorstellbarer Kraft und Ausdauer auf die Leinwand gewuchtet.

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