Kill your darlings, denn Tote tun nicht weh (andere Lesart: Tote empfinden keinen Schmerz), wie der Titel dieses Filmes von Viggo Mortensen bestätigt. Er hat natürlich nicht den Drehbuchlehrsatz gemeint. Er meint wohl in diesem Film, bei dem er das Drehbuch geschrieben, die Regie geführt, die Hauptrolle gespielt, die Musik geschrieben und mittproduziert hat, dass die Leichen in einem Western einen nicht zu beunruhigen brauchen.
Gleich in den ersten drei Minuten gibt es mindestens drei Tote.
Vicky Krieps spielt als Vivienne Mortensens französisch sprechende Frau und es sind zwei Chargen, die praktisch in dem Moment erschossen werden, wo man sie kennenlernt und sich noch nicht gemerkt haben kann.
Es zeigt sich, dass diese ersten Bilder, die den Western recht heutig erscheinen lassen, Spoiler auf den späteren Handlungsverlauf sind; besser der Film spoilert als die Kritik.
Immerhin fällt auf, wenn man den Titel und den Tod einer der Heldinnen betrachtet, dass das keine allzu tiefe Liebe gewesen sein kann, zwischen Holger Olsen (Viggo Mortensen) und Vivienne, denn er reitet ungerührt mit seinem Bübchen fort, nachdem er den Sheriff-Stern zurückgegeben hat. Auch das ein filmimmanenter Spoiler auf die spätere Handlung.
Was will uns Mortensen also mit dem Film erzählen, wenn Figuren so schmerzlos eliminiert oder aus der Geschichte gekillt werden? Da fängt das Raten an. Auch die Erzählstruktur versucht mit dieser Spoilerei mehr zu verrätseln als zu offenbaren, denn die Geschichte springt willkürlich, wie es scheint, zwischen den verschiedenen Zeitebenen im Leben von Holger und der Entwicklung des Wild West Dorfes Elks Flat hin und her.
Elks Flat selbst hat bereits eine fest installierte Pfründenstruktur, klare Machtverhältnisse jenseits der Demokratie und die Toten am Anfang, die führen zur Henkung eines Unschuldigen. Dies und der Tod seiner Frau scheinen für Holger der Anlass zu sein, das Land zu verlassen.
Zu den nicht gekillten Darlings, die einem dann doch irgendwie aufstoßen. Mortensen scheint vernarrt zu sein in seinen Stoff und als Schauspieler natürlich in den Western-Anti-Helden, den er spielt. Das kommt auch gut, er mit dem Westernhut mit längerem oder weniger langem Haar, hoch zu Pferd mit oder ohne halblahmen Buben vornedrauf, dass sind alles wunderschöne Wildwestbilder wie aus dem Büchlein; aber das dürfte nicht reichen, um ein breiteres Publikum damit zu erreichen; dafür hätte die Geschichte dann doch konsequenter, auch thematisch, gebürstet werden müssen.
So scheint es, als habe Mortensen um sich als Figur herum ein paar ihm gängige Westernelemente so zusammengeschustert, wie er hier im Film selbst versucht, einen Stadel zu bauen; ein Unternehmen, dem nicht allzu großer Erfolg beschieden ist.
Die nicht gekillten Darlinge von Mortensen kämpfen sozusagen ständig – und dies erfolgreich – gegen das Zustandekommen einer plausiblen und fesselnden Story. So jedenfalls kann der Film aus sich heraus nicht plausibel machen, warum er erzählt werden soll.