Hannah Arendt in der Luxussuite
Das Drehbuch, was Regisseurin Josephine Frydetzki mit Gisela Wehrl und redaktionell betreut von Meike Götz, MDR, Barbara Häbe, Arte und Stefanie Groß, SWR, geschrieben hat, ist abenteuerlich.
Darauf muss man erst mal kommen. Laut den ersten Dialogen eines Paares in einem Auto und der Limousinenfahrer am Flughafen geht es um den Freiheitsbegriff.
Daniel (Christoph Hunnig) leidet unter der Verantwortung, dass von ihm erwartet wurde, dass er tut, was er will (Last der Freiheit). Naadirah (Kenda Hmeidan) hat wie eine Gefangene im arabischen Clan nur begrenzte Freiräume. Die philosophische Frage wäre die nach der Freiheit des Gefangenen oder nach der Befangenheit des Freien.
Hannah Arendt wird in die Diskussion gebracht, ihre These zum Beginnen und zu den Beginners; dem Anfangen. Wahrlich eine geistige Herkulesaufgabe, die sich die beiden Autorinnen gestellt haben. Sie ist nicht zu bewältigen.
Ihr Lösungsversuch ist immerhin eine verwegen erfundene Konstellation. Am Flughafen, wenn wir das richtig verstanden haben, spielt der Film in Leipzig, kommt ein arabischer Clan mit dem Privatjet an. Ein Konvoi von schwarzen Limousinen mit Fahrern steht auf dem Flugfeld bereit.
Dass Fahrer Daniel ein Autor ist oder einer sein möchte, das ist realistisch, es gibt Autoren, die Taxi fahren, auch Schauspieler, es sind Menschen, die sich nicht gerne dreinreden lassen.
Abenteuerlicher ist die private Beziehung von Daniel zur Tochter seines Chefs Frank (Christian Kuchenbuch). Und noch abenteuerlicher ist dessen Geschäftsmodell, einerseits einen Fuhrpark zu betreiben mit Limousinen und Fahrern und andererseits Superreiche, wie den Katarer Clan, der in Leipzig ankommt, in Investitionen zu beraten. Daniel wohnt mit seiner Frau und deren Sohn in der protzigen Villa von Frank.
Der Chef des Katarer Clans, Khaled (Mounir Chakarji), ist in der Klinik. Noch vor seinem möglicherweise baldigen Tod soll Tochter Naasdrah Rashit (Georg Paluza) heiraten. Man denkt direkt an indische Hochzeiten, die grad wieder durch die Medien geistern, und die 300 Millionnen Dollar kosten sollen.
So ganz scheint das hier die Preisklasse nicht zu sein, obwohl der Clan in einem Luxushotel in mehreren Suiten logiert (Luna und Sol), die pro Nacht einige zehntausend Euro kosten dürften.
Das strenge Rollenbild, hier Superreiche, da Personal, wird nach anfänglicher Schilderung der Reichen als verwöhntem Pack bald durchbrochen. Naadirah ist hochgebildet, spricht mehrere Sprachen und auch Deutsch, sie hat Ahnung von Philosophie und eben von Hannah Arendt. Sie macht Daniel direkt an.
Da die Fahrer strikte Anweisung haben, nicht nur höflich zu sein, sondern der Kundschaft auch jeden Wunsch zu erfüllen, hat sie leichtes Spiel, das mit dem Schnorren einer Zigarette beginnt.
Da das Plot- und Figurenkonstrukt so verwegen ist, dass es sich in keiner Weise ausgeht, schlittert der Film allerdings – und vermutlich bestens beraten von den erwähnten Fernsehfunktionärinnen – bald ab in die Niederungen des deutschen subventionierten Fernsehens.
Am deutlichsten wird das bei den Gesprächen um die Bruchbude, die Daniel mit seiner Frau kaufen will. Da ist der anfänglich erhoffte orientalische Zauber und die Exotik weg, da landet der Film in den erbärmlichen Ödnis deutschen Erklärfernsehens oder genau so das Fahrergespräch in der Küche beim Junggesellenabschied oder die Bemerkung, dass Familie wohl das Gegenteil von Freiheit sei. Und dass die ach so emanzipierte und gebildete Naadirah noch nie einen nackten Mann gesehen haben will, das glaube, wer will.
Im Abspann finden sich weitere dramaturgische Berater: Ayman El Amir und Alika Ziouech; wäre mal interessant zu erfahren, für welche Teile der abenteuerlichen Geschichte die verantwortlich sind. Und auch für die Drehbuchmitarbeit lassen sich eine ganze Latte von Namen im Abspann finden: Toks Körner, Bernd Lange, Stefanie Ren, Hans-Christian Schmid und Nicole Armbruster. Was einmal mehr beweist, dass zu viele Köche den Brei verderben.