Winners (Cinema Iran 2024)

Das Kino als Botschaft
oder von den Irrwegen eines Oscars

Das iranische Kino muss allein aufgrund seiner DNA in einem kinofeindlichen Terrorstaat ständig ein Zeichen für das Kino setzen, sonst würde es sich selbst in Frage stellen. Denn Kino ist Ausdruck von Freiheit, letztlich Demokratie als Ermöglicher und Freiraumschaffer, insofern in einem despotischen Staat ein Zeichen der Revolution.

Das erfüllt dieser Film von Hassan Nazer, der mit Hamed Amami auch das Drehbuch geschrieben hat, in recht romantisierend-humorvoller Art, das Kino in der Funktion der Erträglichmachung von Armut und Elend.

Um das Kino auf den ihm zustehenden Sockel zu stellen, bedient sich Hassan Nazer eines gewagten Konstruktes. Oder eines sehr symbolträchtigen: das Kino landet auf der Müllhalde.

Hassan Nazer verdonnert seinen Protagonisten Nassser (Mohammad Amir Naji) auf eine Müllhalde. Lässt dort diesen ehemaligen Kinostar, der dem Ruhm nicht gewachsen war, Müllkinder schlecht für ihr Sammelgut bezahlen. Gibt ihm einen Mitarbeiter, der ein filmwütiger Sammler ist, an die Seite.

Als Katalysator fungiert der filmfreakige Bub Yahya (Parsa Maghami), dessen Mutter Kelims webt und vertreibt. Er schaut nachts Filme. Cinema Paradiso hat es ihm angetan. Er schaut die Filme immer und immer wieder.

Um die Elemente jetzt vollends zur Zündung zu bringen, führt der Autor und Regisseur eine Oscar-Statue in den Film ein, die in einer Taxe liegenbleibt und dann statt an den rechtmäßigen Besitzer zurückzugehen von einem untreuem Postbeamten als Trophäe ausgeliehen wird, um sie in seinem staubigen Dorf stolz herumzuzeigen.

Aber die eingewickelte Statue fällt aus der Tasche von seinem Moped und landet in den Händen des filmfreakigen Buben Yahya.

Der Film ist ein filmpolitisches Statement. Er weist explizit auf die internationale Anerkennung iranischen Kinos hin im Gegensatz zur Unterdrückung im Lande selbst. Zeichnet dieses Land auch als widersprüchlich zwischen Lehmhütten- und Staubstraßenwelt einerseits und Großstadtmoloch wie Teheran andererseits. Er verweist namentlich auf Trophäen, Filme und Filmemacher, inszeniert sie als unbekannt an der Müllhalde arbeitend, den Ruhm nicht ertragen habend; und kaum sind sie in der Großstadt, will jedermann ein Selfie mit ihnen machen. Sie machen sich Sorgen über ihre verdreckten, verstaubten Klamotten, gehen aber lachend drüber hinweg mit dem Argument, die Leute werden denken, es handle sich um Kostüm.

So trietzen sich Realität und Wirklichkeit, Sein und Schein der Kinowelt in der realen Welt eines von einem blutigen Regime gebeutelten Landes. Es ist ein humorvolles Statement, das eher den Kopf schüttelt über die Kleinkariertheit und weltfremde Verbohrtheit der Terrorherrschaft.

Hassan Nazar verbannt seine an sich berühmten Protagonisten in das staubige Provinzkaff Garmsar. Und dreimal darf man raten, wer in Teheran das Taxi fährt, mit dem Yahya unterwegs sein wird.

Mit Yahya und Leila (Helia Mohammadkhani) hat das iranische Kino einmal mehr eindrückliche Kinderdarsteller aufgeboten.

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