The Sun Will Rise (Cinema Iran 2024)

Lysistrata in Teheran 2023

Scharia und die Kunst. In Iran müsse Kunst immer genehmigt werden und den Scharia-Gesetzen entsprechen. Das betrifft das Zeigen von Weiblichkeit, was vor allem ein Verdecken ist. So möchte denn der Filmemacher Ayat Najafi in Teheran filmen und nicht gegen die Gesetze verstoßen.

Das zeitigt nicht nur erfreuliche Folgen. Denn er will auch seine Protagonisten, die ihr Gesicht nicht öffentlich zeigen dürfen, nicht verraten; das bedeutet, dass viel Footage nur bis etwa einen halben Meter über der Erde reicht, höher durfte die Kamera nicht gehen.

Man sieht Füße, Schuhe, von Frauen Männern. Oder Gesichter nur angeschnitten, nur in nicht identifizierbaren Ausschnitten. Man sieht sie im Stadtverkehr von Teheran. Und man sieht sieht in leichten Trainingshosen, barfuß oder in Strümpfen in einem Übungsraum in einem abgedunkelten Appartment Tanzschritte machen.

Auf der Tonspur wird das Lysistrata-Thema eingeführt. Es geht um den Aufstand der Frauen im alten Griechenland, die sich ihren Männern so lange verweigern wollen, bis sie mit ihren doofen Kriegsspielen aufhören.

Der Film ist eine Collage aus heimlich in der Öffentlichkeit gemachten Filmaufnahmen, aus schariakorrektem Mitschneiden von schariainkorrekten Theaterproben, aus Archivfootage von der Revolution der Frauen, aus anonymisierten Berichten von den Demos und auf der Tonspur der Entwicklung des Theaterstückes Lysistrata sowie Diskussionen über Sinn und Unsinn des Projektes.

Der Film wechselt von Farbe zu Schwarz/Weiß und umgekehrt.

Die Fixierung der Kamera auf die Beine macht einem allerdings auch klar, wie sehr wir in unserer mitmenschlichen Wahrnehmung gesichtsfixiert sind.

Im Probenprozess wird diskutiert, dass die Aufführung eine Aufarbeitung der auf den Tod von Masa folgende Revolution sein soll, es wird diskutiert, dass es eine Komödie sein soll, weil tragische Ereignisse tragisch zu verarbeiten wenig bringe.

Lysistrate als Modern-Dance-Performance. Die Schauspieler müssen sich nicht mehr als Schauspieler, sondern als Freiheitskämpfer sehen, andererseits ist es die Diskussion, ob man als Theatergruppe mit einem Stück, das nur wenige Leute sehen werden, überhaupt etwas erreichen kann, geschweige denn, ein revolutionäres Ziel. Eine Grundsatzdiskussion der Kunst nicht nur im Iran.

Auch das Filmmaking selbst wird thematisiert, der Freund, der aus Deutschland anreist, der die anonymisierten Aufnahmen macht; der Film, der erst am Schneidetisch entstehen wird, wenig mit O-Ton, sondern mit oft drübergelegtem Ton. Das bewirkt einen gewissen kunstgewerblichen Touch, wenn die politischen Umstände so gravierend praktisch in jedes einzelne Bild hineinregieren oder in jedem einzelnen Bild reflektiert werden. Aus den anonymisierten Credits ist selber ein Kunstwerk mit vielen roten Balken gemacht worden.

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