Kino begriffen als Beschreibung eines Bewusstseinszustandes,
als eines Streams of Consiciousness, hier der Migration, der posttraumatischen Belastungsstörungen und als Zeitreise über mehrere Generationen, Kino begriffen als essayistisches Tool zur Konfrontation mit dem eigenen Ich, der eigenen Geschichte und des eigenen Künstlertums.
Im Film von Narges Kalhor, die mit Aydin Alinejadsomeeh auch das Drehbuch geschrieben hat, darstellen lässt sie sich von Baharak Abdolifard, geht alles über- und durcheinander. Sie will ihren Namen wechseln, da sie sich nicht mit „Shahid“ identifizieren will, dem Urururahn (Nima Nazarinia), der vor über 100 Jahren ein Märtyrer gewesen sein soll. Sie stößt an die bürokratischen Hürden, das erinnert an den Bürokratie-Satire-Film Irdische Verse. Es ist aber der Bürokratismus des KVR in München.
Was ist wahr, was ist Kulisse. Viele Szenen spielen ganz offensichtlich in einer Filmstudiokulisse, aber die Zeiten verschwimmen, Passanten gehen rückwärts. In die Zeit hinein drängt eine Gruppe geistlicher in langen Gewänder. Es ist eine Tanzgruppe. Erinnert an den Tanz der Derwische.
Die Lokalitäten sind die erwähnte Filmkulisse, eine Wohnung, das KVR mit einer Angestellten (Carin Huber), ein Theater, hier wird die Geschichte als Moderation vor farbfrohem Prospekt erzählt, es gibt Wischer aus dem modernen München, eine Bar.
Es gibt eine Szene beim Psychologen (Thomas Sprekelsen als Ribbentrop). Die ist nötig für die Namensänderung, die Shahid beantragt. Er wiederum findet, dass viele Sitzungen nötig seien. Immer taucht wieder die Tanzgruppe auf.
Die Protagonistin liegt anfangs nackt in Uterus-Stellung mitten innerhalb der Tänzer. Poesie stimmt den geistigen Akkord der Verlorenheit an, des Identitätsproblems, mittendrin zu sein und doch nicht, doch woanders zu sein.
Und immer wieder wird die Drehsituation reflektiert, die Regisseurin hört sich ein Tonstück an, während sie sich mit dem Geschichtenerzähler (Saleh Rozati) auf der Bühne sitzend unterhält oder Regieanweisungen für die nächste Szene gibt. Zwei Puppen sollen da stehen, wollen aber nicht so recht.
Es wird mit raffinierten Mitteln gearbeitet. Eine Projektordrohne soll Film auf die Gewänder der Darsteller werfen. Überschneidungen auch so möglich mit der Geschichte, gar mit Archivmaterial aus dem Iran. Aber auch hier kommt Polizei ins Spiel, holt eine Familie von Asylsuchenden ab. Die Erinnerung an Zirndorf wird wach beim Besuch eines Imbisses.
Es ist ein Film, der Culture Clash und individuelle Identitätsfindung wie eine Kunstaktion formuliert. Autodokufikitonal.
Iranerinnen scheinen gerne ihre Herkunftsproblematik und den damit einhergehenden Culture-Clash filmisch zu verarbeiten, so hielt es auch The Persian Version.