Intimität Taxi
Ein Taxi hat etwas von einem Beichtstuhl. Hier sind Menschen, die sich nicht kennen oft für längere Zeit auf engem Raum zusammen. Das verführt interessanterweise zu Geständnissen und Beichten, die diese Menschen in ihrem alltäglichen Milieu so kaum äußern würden.
Vielleicht kann man von einer gewissen Anonymität oder auch Geschütztheit des Taxiraumes sprechen. Das Kino bleibt davon nicht unberührt, ja, es sieht darin oft eine ideale Gelegenheit in seiner Definition aus Öffentlichkeit und Intimität gleichzeitig, Dinge auf die Leinwand zu bringen, die so für die menschliche Wahrnehmung in einmaliger Dimension erscheinen.
Das hat Taxi Teheran benutzt, um trotz Drehverbots durch das brutale Regime einen glasklaren Blick auf die iranischen Lebensverhältnisse zu werfen. Das hat, vielleicht nicht ganz so erfolgreich, der deutsche Film 791 KM versucht im Hinblick auf die moderne Gesellschaft Deutschlands.
Die Intimität des Autos hat ferner, zwar mit dem Verzicht auf das Taxi-Element, No Turning Back mit dem brillanten Tom Hardy geleistet mit einer feinen Sezierung der Männlichkeit des Ivan Locke.
Dieses Modell nutzt jetzt Christie Hall, um während einer Taxifahrt durch das nächtliche New York vom Flughafen nach Downtown und mit den großartigen Schauspielern Dakota Johnson als Girlie, die auch mitproduziert, und Sean Penn als Taxifahrer Clark, dem Liebesleben von Girlie auf den Zahn zu fühlen.
Gleich zu Beginn am Flughafen denkt man an ein anderes Zweipersonenstück, an What happens later. Hier kommt es allerdings gar nicht erst zu einer Taxifahrt. Dafür läuft einer Frau der Ex-Lover über den Weg. Hier ist es die Naturgewalt, die jeden Weiterflug verunmöglicht, und die beiden ihre Beziehung auseinandernehmen lässt.
„What happens later“ beruht auf einem Theaterstück, was ihn vielleicht dramatischer erscheinen lässt als jetzt den Film von Christy Hall, die auch das Drehbuch geschrieben hat. Sie richtet sich vielleicht etwas zu gemütlich ein in dem Taxiraum, geht zu selbstverständlich davon aus, dass der Zuschauer sich interessiere dafür, wohin und weshalb Girlie, von der man später einzig erfährt, dass sie Programmiererin ist, eine Taxe braucht.
Girlie scheint auch etwas unentschieden zu sein, wohin zu fahren, ob zu einem generell gesichtslos bleibenden Lover, dem es vor allem um die Schlüpfrigkeit seiner SMSereien geht, oder zu sich nach Hause. Bei alle dem bleibt sie makel- und unterschiedslos perfekt geschminkt, ist immer in ein fantastisches Licht getaucht. Ok, wenn eine Schauspielerin mitproduziert, so will sie auch gut aussehen.
Die Gespräche initiiert der Taxifahrer. Er gibt sich als Menschenkenner aus und versucht, Dinge von ihr zu erraten.
Die Struktur des Drehbuches könnte sich an einem Poesiealbum oder an Briefwechseln von kleinen Mädchen orientiert haben, worin Fragen erörtert werden, wie man eigentlich zum Vornamen heißen möchte, oder diese Art von Wetten, die dann wieder als ein Punkt für den einen oder den anderen gezählt werden oder das Prinzip der Abarbeitungslisten, um anhand von diesen Hinweisen Orientierung über die andere Person zu bekommen und es kommt das Thema des Daddys, des Daddy-Komplexes ins Spiel, ob es denn Berührungen mit dem Vater gegeben habe.
Dazu passt die Kamera, die das Taxi, wenn es von hinten fotografiert wird, einen an einen Hasen erinnern lässt, der durch das nächtliche New York hoppelt.
Es ist ein Film mit wenig Personal und wenig Berührungen, es kommt die Vermutung auf, es könnte sich um ein Selbstbeschäftigungsprojekt der Darsteller in der Covid-Zeit handeln. Sie hätten die Zeit schlechter nutzen können.