Gefährlich nah – Wenn Bären töten (ARD, Montag, 10. Juni 2024, 23.35 Uhr)

Die Enge des Tales

Die Enge des Trentino, in dem Bären und Menschen auf so engem Raum zusammenleben wie nirgendwo sonst, spitzt die Story vom Menschen und vom Bären dramatisch zu.

Im Dokumentarfilm Im Land der Wölfe von Ralf Bücheler fällt der Satz, dass Menschen nicht ins Beuteschema des Wolfes passen.

Hier im Film von Andreas Pichler, der mit Georg Tschurtschenthaler auch das Drehbuch geschrieben hat, ist ein reißerischer Titel möglich, denn der Satz vom Menschen außerhalb des Beuteschemas, der fällt hier nicht.

Hier geht es um einen konkreten Todesfall, Opfer eines Bären.

Im April 2023 kommt der Jogger Andrea Papi durch den Problembären JJ4 zu Tode. Das ist das zentrale Ereignis in dieser Dokumentation, die Folgen dieses Todes in der engen Talschaft, erweitert mit Rückblicken und einem kleinen Exkurs zum bayerischen Problembären Bruno.

Der Fall war über das Tal hinaus aufsehenerregend. Vor allem Tierschützer engagieren sich für das Wiederansiedlungsprojekt, das vor 25 Jahren angefangen hat und durch welches inzwischen die Bärenpopulation überraschend auf über 100 angewachsen ist. Das mag damit zusammenhängen, dass die Weibchen standorttreu sind, im Gegensatz zu den Wölfen, bei denen der ganze Nachwuchs wandern muss.

Es kommt zur Sprache die Faszination durch die Bären, ihre Intelligenz, aber auch das Teddywesen, das emotionalen Bezug zum Raubtier herstellt. Es wird erwähnt, wie unterschiedlich die Bären sind, auch wie raffiniert, besonders die Älteren, aber auch, dass es sehr scheue Tiere gibt und solche, die den Menschen, gerade wenn er sie anfüttert, gefährlich zutraulich werden können. Die jüngeren Bären seien noch vergrämbar mit Schreckschusspistolen und dergleichen.

Der Film weist auf menschengemachte Probleme wie mangelnde Aufklärung, mangelnde Vorbereitung der Bevölkerung, die ihre Talschaft plötzlich mit einem anderen, raumgreifenden Bewohner teilen muss. Sie sollte ihn fernhalten, dafür beispielsweise spezielle Mülltonnen oder die Landwirte sollten entsprechende Zäune und Hunde anschaffen.

So emotional die Tierschützer für den Bären votieren, so emotional ist die Talschaft nach dem Tode des Joggers dagegen. Die Förster und die Menschen vom Bärenmanagement, die sitzen da mitten dazwischen, müssen selbst mit Drohungen zurechtkommen.

Als weiteren Exkurs gibt es Bilder davon, wie Bären eingefangen und wenn sie in der Falle sind, mit Betäubungsspritzen in einen Ruhezustand versetzt werden, wenn eine Batterie am Sender ausgewechselt werden soll. Die Schwierigkeit der Dosierung des Betäubungsmittels dabei ist, dass der Anästhesist keine Ahnung hat, wie schwer das Tier ist.

Die Emotionen kochen im Trentino so hoch, dass der Gedanke an Selbstjustiz aufkommt und tatsächlich seien in letzter Zeit mehrere tote Bären gefunden worden, deren Todesursache nicht eruiert werden konnte.

Falls ich Wanderer wäre, würde ich wohl nicht als nächstes einen Urlaub in dieser wunderschönen italienischen Region buchen. Aber, die Natur ist immer gefährlich und die Gefahr eines Zeckenbisses mit Borreliose als Folge deutlich höher als diejenige, von einem Bären angefallen zu werden. Es wäre im Film noch Platz gewesen, für einen statistischen Hinweis zu diesem Vergleich.

Da es sich auch um einen Aufklärungsfilm handelt, ist schwer verständlich, warum die ARD den Film mitten in die Nacht hineinversteckt. Haben sie zu viel Angst vor dem negativem Echo aus dem Trentino?

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